Mittwoch, 18. Dezember 2019

Ich habe morgen ein Vorstellungsgespräch.

"Sag mal, wie stehst du eigentlich zu diesem ganzen Klimawandel?"

"Ich glaube, es ist dem Klimawandel egal ob und wie ich zu ihm stehe."

"Aber was ist mit dem Planeten?"

"Der wird machen was er für richtig hält."

"Und das Leben, und das unserer Kinder?"

"Was soll damit sein, es gibt zu viele von uns, ganz einfach. Alle Eltern lieben ihre Kinder, zumindest die meisten und wünschen sich für sie eine bessere Zukunft , aber darum geht es nicht. Die Welt wird nicht besser, sie wird schlechter und sie wird erst recht schlechter umso mehr Menschen auf ihr leben. Das ist eine simple Rechnung. Ganz egal wer stirbt, es muss gestorben werden, das ist unausweichlich."

"Also, keine Kinder?"

"Zumindest nicht solange es keine Lösung gibt. Diese Welt fährt gerade zur Hölle, so etwas mute ich keinem Kind zu, das tun wir ja jetzt schon."

"Aber wenn es dein Kind ist, das die Lösung findet?"

"Das bezweifle ich stark."

"Du sagst also, dass diese Welt nicht mehr zu retten ist?"

"Nicht mit uns, und dann kann es uns ja auch wieder egal sein, weil es ja dann niemanden mehr gibt, der sich dafür interessieren könnte. Vielleicht ist der Mensch einfach dazu da. Vielleicht können wir ja gar nicht anders, als uns selbt zu vernichten und alles um uns herum, vielleicht ist das ja der natürliche Lauf der Dinge, sonst, denn wir wissen ja was wir tun und ändern trotzdem nichts, wäre es doch gar nicht soweit gekommen. Ich meine, welches Lebewesen besitzt die Macht das Ökosystem eines gesamten Planeten zu zerstören und sich selbst dazu, nur wir. Was glaubst du weshalb wir dazu in der Lage sind? Glaubst du die Evolution macht Fehler, glaubst du sie hätte uns solange spezialisieren und anpassen lassen wie wir es heute sind, mit diesen Fähigkeiten? Wir sind die Götter dieser verdammten Welt und wir werden sie vernichten, früher oder später. Wenn diese Welt brennt, und glaub mir, sie wird brennen, werden wir quasi der Rock 'n' Roll der Evolution gewesen sein, weißt du was ich meine? Live Fast Die Young. Scheiß drauf, es passiert sowieso."

"Ich habe morgen ein Vorstellungsgespräch."

"Du hast mir überhaupt nicht zugehört, oder? Komm, lass uns was trinken und sterben!"

"Na gut."

Für immer wach.

Du sollst doch das Fenster schließen, wenn es kalt wird, du weißt doch, es gibt noch andere Lebewesen da draußen, denen ist genauso kalt wie dir. Aber wer nicht hören will...und schon werde ich von einer wunderschönen Frau, streichelnd, mit einer Feder in der Hand berührt. Sie fährt über meine Stirn, den Nasenrücken entlang, bis zum Kinn und wieder zurück, und kitzelt mich in den Ohren. Dann wache ich auf ehe die Spinne mir noch versucht in den Mund zu krabbeln. Guten Morgen Deutschland, jetzt bin ich für immer wach. Ich brauche Beschäftigung, ich muss vergessen, ich schlafe nie wieder, versprochen. Ab jetzt, nur noch im Stehen, in Intervallen, mit einem Auge offen, in mindestens fünf Insektennetze gewickelt.

3,50€ kein Problem

Du willst nicht da raus, doch du bist seit sieben Stunden hungrig. Alles an diesem Tag lässt dich daran zweifeln, dass es morgen besser wird oder zumindest irgendwann und du wartest nochmal zwei Stunden, bis du es endlich schaffst aufzustehen. Das Kleingeld reicht für heute, 3,50€, kein Problem. Denk daran: schnell rein, schnell wieder raus. Vermeide Blickkontakt, schau nur auf deinen Weg. Du kommst nicht von hier, du kennst niemanden und niemand kennt dich, keine Konversation, das Wetter spielt keine Rolle. Du stehst an der Tür, du zögerst, dein Puls steigt, aber der Gedanke an Spiegeleier gibt dir die Kraft, die du brauchst, um die Türklinke nach unten zu drücken. Fahrstuhl, Haustüre, an der Ampel warten, alles läuft plötzlich wie von selbst. Dein Lieblingsnetto ist für dich da. Zwei Kassen haben geöffnet. An einer davon sitzt die wunderschöne Kassiererin, mit der du das letzte Mal ungefähr eintausend Blicke gewechselt hast. Du siehst scheiße aus, um nicht zu sagen beschissen. Du siehst sie nochmal an, sie ist immer noch schön. Ok, du musst dich beeilen, um dich noch an der anderen Kasse anstellen zu können. Wo sind die Eier, fragst du dich, während du dir die Frage schon etwas traurig selbst beantwortest. Du warst zu langsam. Du hast doch nicht tatsächlich wieder dem Glück vertraut? Tzz, Anfänger. Ok, bleib cool, aber nicht zu cool, sei einfach ganz normal und versuche nicht zu schwitzen. Wenn du willst, tu so, als würde dir tatsächlich jemand eine Nachricht schicken, du weißt doch noch wie das war, erinnere dich. Sechs Eier und Baguette, 3,53€. Du weißt, dass dir drei Cent fehlen und, dass das alles war, was du hattest. Du suchst trotzdem in allen Taschen. Sie sieht dich an. Dein Puls beginnt wieder zu steigen, du bist kurz davor zu hyperventilieren, es sieht aus, als wäre all dein Blut in deinem Kopf und es würde für immer dort bleiben. Du lässt das Baguette an der Kasse. Für die Stornofreigabe muss sie eine Kollegin rufen. Alle warten, sie sieht dich an, sie ist immer noch schön, sie wartet, du wartest, der Rest der Schlange wartet. Alle warten solange, bis ihre Kollegin kommt und eine zweite Kasse öffnet. Du hast jetzt jeden Grund dich umzubringen, geh nach Hause und tu es endlich, immerhin hast du die Eier ja noch. Du zahlst und gehst und willst für immer hungrig bleiben, nur, um dich selbst zu bestrafen. Sie ist immer noch schön und du bist immer noch hungrig.

...and a happy new year

Das letzte Weihnachten erlebte er mit elf oder zwölf, danach hatte er nur noch Ferien oder Urlaub und wollte so weit weg wie möglich. Also hing er draußen rum oder versuchte seiner versoffenen Mutter aus dem Weg zu gehen, was bedeutete, dass er die Zimmertür hinter sich zusperrte, damit sie ihn nicht verprügeln, oder den Hund auf ihn hetzen konnte, wenn ihr wieder einfiel was für eine Enttäuschung er war. Einige Jahre später betrank er sich alleine, während die Anderen bei ihren Familien waren, aßen und Geschenke verteilten, und fand endlich den Mut, nach dem er die ganze Zeit gesucht hatte. Ehe man ihn fand, hing er knapp zwei Wochen in einem Weihnachtsmannkostüm von der Decke. Es war alles ganz still und leise, nur die Dekoration, die im Fenster hing, blinkte und wechselte unbeeindruckt von grün, auf rot, zu gelb, zu blau.

Dienstag, 19. November 2019

Alles was du willst, Baby!

Roman: "Du kommst in letzter Zeit sehr spät nach Hause."

Ich:  "Und?"

Roman: "Ich mache mir Sorgen um dich."

Ich: "Falsch, du machst dir nur Sorgen um dich selbst."

Roman: "Warum bist du so gemein zu mir, was habe ich dir denn getan?"

Ich: "Ach, lass mich in Ruhe."

Roman: "Warum fasst du mich nicht mehr an, hast du eine andere Story?"

Ich: "Baby, du bist die Einzige für mich, aber ein Autor, ist auch nur ein Schriftsteller und wenn sich mir die Gelegenheit bietet, schreib ich es auf, ganz einfach."

Roman: "Ich hasse dich!"

Ich: "Ach, komm schon, ich schreib jetzt schön sanft ein paar Zeilen auf dein weißes Papier und hinterher lese ich es mir noch einmal durch, okey?"

Roman: "Na gut, du weißt, ich kann dir nie lange böse sein. Aber sei nicht zu sanft, ich möchte jede Zeile spüren!"

Ich: "Alles was du willst Baby, alles was du willst."

Achtung, Liebe!

Es beginnt harmlos, oft mit einem ersten Blick, dann folgt einTreffen. Sie posieren Wange an Wange, oder küssen einander, während einer von ihnen in die Kamera sieht. Aber egal wie es anfängt, schlussendlich endet es immer in einer Gesichtskarambolage voll gestauchter Lippen und Nasen und niemand sieht mehr auf das, was um ihn herum geschieht. Jeden Tag ereignen sich schreckliche Selfieunfälle unter Einfluss von hochprozentiger Liebe, die sich unschuldigen Singles von einer Sekunde auf die andere ihrer Einsamkeit bewusst werden lässt. Dies kann schlimme Folgen für diejenigen haben, die sich verantwortungsvoll unter Rücksicht auf ihre Mitmenschen zurückziehen, um ihr Leben angemessen in Einsamkeit zu verbringen. Bitte, seid vorsichtig wenn ihr liebt, achtet auf die Menschen in eurer Nähe. Viele von ihnen haben nichts außer ihre nüchterne und existenzraubende
Realität, an der sie friedlich zu Grunde gehen möchten. Vielen Dank.

Prost :(

Jedes Mal, wenn ich morgens um fünfzehn Uhr mit einem schweren Kater aufwache, weil ich zu oft von einem halben Glas Weinschorle genippt habe, denke ich mir: nie wieder Alkohol, ab jetzt gibt es nur noch Tee oder Wasser. Ein paar Tage später hängt mir der Tee dann zum Hals heraus und das Stückchen Rum-Trauben-Nuss-Schokolade tut sein übriges.

Spam

Seit Wochen bekomme ich täglich Spam-Mails mit "Danke, für Ihre Buchung...". Dabei wissen doch alle die mich kennen (Hallo ihr zwei. Ich Grüße die Katze, die im Sommer immer auf dem Geländer des Balkons gegenüber liegt und keine Angst hat runter zu fallen, dabei wird mir schon schwindlig, wenn ich nach oben sehe, und den Wellensittich am Fenster im 2. Stock, der vor ein paar Wochen noch nicht alleine war und es wahrscheinlich nicht mehr lange macht, ich weiß wovon ich rede.), dass ich überhaupt kein Geld habe, um irgendetwas buchen zu können. Vielleicht sollte ich mal die anderen Mails, die, die mit "Ihr Geld liegt zur Abholung bereit!" beginnen beantworten, um endlich eine dieser Buchungen vornehmen zu können.

Die Welt geht unter

Während der Berichterstattung über ein überflutetes Venedig dessen Gegenmaßnahmen schon vor Jahren hätten fertiggestellt sein müssen, aber sie es, auf Grund eines Korruptionsskandals, bis heute nicht sind und einem schneebefallenen und verregneten Stubaital, wird kurz eine gezeichnete und fröhlich wirkende Frau gezeigt, die eine Baumallee entlang joggt und offensichtlich das Gefühl von Freiheit verkörpern soll. Es wird nicht viel erklärt bevor die Wettervorhersage kommt, außer, dass die folgende Sendung präsentiert wird von Scheidung-Punkt-de.

Merke:
Zwischen dem Untergang Venedigs und der Wettervorhersage für die Apokalypse, bleibt noch genügend Zeit sich scheiden zu lassen. Endlich Single, endlich wieder frei und glücklich, endlich anfangen können für das letzte, große Wettrennen gegen die Natur zu trainieren. Da hab ich ja nochmal Schwein gehabt. Dann mach ich ja gar nichts falsch. Da brauch ich mir ja gar keine Gedanken machen. Ich bleibe einfach alleine auf meiner Doppelmatratze liegen und warte auf das Ende. Joggen war sowieso nie mein Fall. Die Welt geht unter und weit und breit kein Paarship in Sicht. Ich bin bereit und warte auf niemanden.

Nackt

"Herr Lenthe, seit ich Sie interviewt habe ist ja einiges bei Ihnen passiert."

" Eigentlich nicht."

"Aber, die Menschen interessieren sich doch für ihre Sachen?
Wie schaffen Sie es, sich ständig neu zu erfinden?"

"Ich schreibe nackt."

"Das ist ihr Geheimnis??"

"Ja. Wissen Sie, wenn ich nackt schreibe, dann fühle ich. Es ist, als wäre ich ein Teil dieser Welt, als würde es auffallen wenn ich fehle. Wissen Sie was ich meine? Wenn ich schreibe bin ich nackt. Das Blatt ist nackt, und ich bin es auch. Wir sind gleichwertig, verstehen Sie?"

"Sie sollen dem Alkohol verfallen sein, ist da was dran?"

"Wie meinen Sie das?"

"Sie sollen innerhalb der letzten vier Wochen zweimal wegen Trunkenheit festgenommen worden sein?"

"Davon weiß ich nichts."

"Wie erklären Sie sich ihren immensen Erfolg, und was machen Sie mit ihrem ganzen Geld, jetzt, wo Sie sich alles leisten können?"

"Wissen Sie, derlei Art von Fragen beantworte ich nicht, bitte verlassen Sie meine Yacht."

"Aber, wir haben noch einige Frag..."

"Sofort!"

"Aber, ich..."

"Mein nächster Gedichtband kommt im Frühjahr 2020. SECURITY."

Wir sind hier unter uns!

Die Dame am Schalter des Einwohnermeldeamts juxt ein wenig mit mir, als ich sage, dass ich gerne ein Führungszeugnis beantragen würde und fragt, wie viele Einträge ich denn hätte. Offensichtlich hat sie sich längst auf Grund meiner Erscheinung ein Bild von meinen Freizeitaktivitäten gemacht und kann ihr verschmitztes Grinsen kaum verbergen, als ich ihr antworte: "Keine, ich bin einer von den lieben Typen!" Sie antwortet: "Sie wurden bis jetzt bloß nicht erwischt, geben Sie's ruhig zu, wir sind hier doch unter uns." Wir sehen uns an. Ich lache. Sie lacht. Wir wünschen uns gegenseitig einen schönen Tag.

Realität

Das Schöne am Bookwalking ist, wenn du im richtigen Moment aufblickst und dir eine wunderhübsche Frau ein derartig freundliches Lächeln schenkt, dass dein misanthropisches Weltbild für einige Sekunden völlig verfliegt. Allerdings ist der Absturz in die Realität danach umso schlimmer, wenn du vom Sicherheitsdienst des Einwohnermeldeamts nach scharfen Gegenständen durchsucht wirst, weil du ein Führungszeugnis beantragen möchtest. Ach, Welt.

Happy Birthday to me.

In etwas weniger als zwei Stunden werde ich vierunddreißig und das Partyverhalten meiner Nachbarn nimmt immer katastrophalere Ausmaße an. Sie lachen und tanzen, lassen Dinge fallen, heben sie wieder auf, lassen sie wieder fallen und ihre Kinder springen von Objekten die mindestens einen Meter hoch sind. Sie haben viele Freunde mit denen sie diese Dinge tun, oft für mehrere Stunden, während ich überlege, ob ich ihnen einen freundlichen Abend wünsche und sie frage, ob sie zufällig wissen, wer unter ihnen wohnt. Bisher konnte ich mich nur einmal überwinden, weil ich in letzter Sekunde immer denke, tu's nicht, sei keiner von diesen..., naja, du weißt schon, so wolltest du jedenfalls nie und überhaupt, es ist doch erst zweiundzwanzig Uhr, die Party geht erst seit fünf Stunden und denke bitte einmal an die Kinder, nie denkt jemand an die Kinder. Also tue ich das, was ich am besten kann und bleibe liegen. Ich lese oder schreibe, oder passe solange die Lautstärke des Fernsehers an, bis sich mein Nachbar beschwert

Zwischen Faultier und Kolibri

Wenn du auf der Seite liegst, deinen Kopf auf deinen Arm legst, so, dass der Handballen deine Schläfe berührt und du den Atem anhältst, dann kannst  du das dumpfe Pochen deines Pulses hören. Dann kannst du für eine Weile mitzählen, oder überlegen wie oft dein Herz schon geschlagen hat und, dass es Momente gab, in denen es so schnell geschlagen hat, dass es vielleicht hätte aus dem Takt geraten können, aber nichts dergleichen ist passiert. Du könntest auch darüber nachdenken, dass das Leben ein Durcheinander ist, eine Welt aus Herzen zwischen Faultier und Kolibri, die in jeder Sekunde sterben und in jeder geboren werden, und wie wahnsinnig das alles ist. Oder, du liegst einfach nur da und denkst an Reis mit  Gemüse und daran, dass du bald wieder ein Jahr geschafft hast und andere leider nicht.

Dienstag, 22. Oktober 2019

Bleiben liegen, wenn du liegst.

Ich liege soviel, dass riesige Muster in Form von Linien einen kontinuierlichen Abdruck auf meinem Körper bilden. Besonders bei der stündlichen 180°-Drehung fällt auf, dass ich zunehmend den Falten meines Spannbetttuches ähnle. Ich könnte kleine Punkte an markanten Stellen setzen und ihnen Namen geben wie Nippelstein, Achselhausen oder Schamburg und sie alle miteinander verbinden. Ich würde lange Reisen unternehmen und von einer Stadt zur nächsten  pilgern, ohne mich zu bewegen. Alle Wege führen irgendwo hin, nur ich bliebe hier. Vielleicht stehe ich eines Tages auf und kaufe etwas Deko und kleine Figuren in einem Modelleisenbahnfachgeschäft und verbringe den Rest meines Lebens damit kleine Dinge auf meinen Bauch zu kleben und davon Videos bei YOUTUBE zu posten. Stay alive, but don't move! ♡

Montag, 21. Oktober 2019

Make Noise No Love

Ich bin verunsichert. Jetzt, da ich die Gesichter zu dem Klackern der Highheels und dem ständigen Klopfen und Hämmern kenne, fällt es mir umso schwerer auch noch ihr Stöhnen und seine Brunftschreie zu ertragen. Besonders wenn es mich beim Schreiben einer ernsten Szene beeinträchtig, wünsche ich mir sehnlichst den abendlichen Türenweitwurf und das schwierige Tischspringen zurück. Disziplinen in denen beide ohne Zweifel großartige Erfolge vorzuweisen haben. Mich zu beschweren könnte sich also als absolut fatal herausstellen und sie dazu ermutigen sich mehr zu paaren, als Rekorde zu brechen.

Es muss weitergehen!?

Die Zeit psychischer und physischer Verwahrlosung muss ein Ende haben. Wenn du auf dem hart umkämpften Singlemarkt noch eine Chance haben willst, musst du deine Höhle verlassen und deinen Bierbauch in die Sonne schleppen. Sortiere sämtliche Hemden aus an denen sich nur noch die Hälfte der Knöpfe befindet und kaufe dir eine zweite Hose. Schmeiße alle Socken, Unterhosen und T-Shirts weg, die mehr Löcher haben als sie sollten und halte dich von Orten fern an denen man darauf schließen könnte, dass du ein ungebildeter Haufen Fleisch bist. Hierzu gehört der Parkplatz hinter deinem Lieblingsdiscounter und die Eckkneipe, in der ständig dieselben fünf Leute sitzen. Setze dich stattdessen mit einem Buch in ein Café oder wahlweise an einen hoch frequentierten Platz im Grünen, an dem du zwangsweise auf andere Menschen triffst. Du musst die Initiative ergreifen, wenn du finden oder gefunden werden willst, zeige der Welt dein blasses Gesicht. Hast du einen Partner gefunden mit dem du die nächste Zeit in deinem Leben verbringen möchtest, lass dich auf jeden Fall verändern, alles ist besser als das, was du jetzt bist, sei offen für alles. Falls Geschlechtsverkehr für dich noch eine Rolle spielt und du dich nach Jahren der Enthaltsamkeit halbwegs an etwaige Abläufe zu erinnern versuchst, täusche dich nicht, hier kann einiges schief gehen. Hast du dich erfolgreich gepaart, gilt es wiedererlangte Lebensfreude beizubehalten. Verabschiede dich für immer von deiner Höhle und werde ein nützliches Mitglied der Gesellschaft. Suche dir einen Job den du hasst und gebe dein Geld für Dinge aus die niemand braucht. Willkommen im Leben! Schön, dass du da bist.

Lustig, oder?

"Ist ja bald wieder so weit."

"Ja."

"Dieses Jahr feiern wir in Tirol."

"Aha."

"Alle werden kommen. Meine Eltern, meine Tante, meine beiden Onkel, Oma und Opa, ich nehme sogar Hanna mit, das wird super, ich freu mich schon so."

"Ok."

"Ich muss noch so viele Geschenke besorgen. Du wirst nicht glauben was letztes Jahr passiert ist."

"..."

"Ich stehe in der Schlange um die Kaffemaschine umzutauschen, die mir Onkel Martin geschenkt hat, wegen diesen Alukapseln und der Umwelt und so, du weißt ja wie ich da bin, und weißt du wer ein paar Reihen vor mir stand?"

"Nein."

"Onkel Martin mit dem Tennisschläger."

"Wahnsinn."

"Ja, krass, oder, wir mussten beide so lachen und schlossen Wetten ab wie lange es dauern würde, bis mein Vater seinen Hometrainer zurückbringt. Lustig, oder?"

"Auf jeden Fall."

"Das passiert uns ständig. An Geburtstagen und Namenstagen und Feiertagen und...was machst du eigentlich?"

"Was?"

"Was du an Weihnachten machst?"

"Überleben!"

"Muss es bei dir eigentlich immer um Tod und Verzweiflung gehen, du nervst."

"Dann schickst du mir dieses Jahr also keine Karte, die Merry Christmas singt, wenn ich sie aufmache?"

"Ich überlegs mir, kommt drauf an."

"Großartig."

Als ich mal gefragt wurde...

"Ja, das sagen sie alle, wenn man sie fragt, warum sie schreiben. Es gibt vielleicht fünf gute Gründe, aber ich sag dir jetzt mal was, keiner davon ist besonders außergewöhnlich. Entweder du schreibst, oder eben nicht. Das ist alles, das ist das große Geheimnis. Dieser ganze Schwachsinn vonwegen "Schreiben ist mein Leben", oder "Ich kann nicht anders", alles  Gefasel."

"Und warum schreibst du?"

"Naja, ehrlich gesagt weiß ich das selbst nicht genau. Vielleicht wusste ich es mal und habe es vergessen, es ist lange her. Aber eins weiß ich, es ist das Einzige, was ich freiwillig tue. Du musst atmen und essen und trinken und arbeiten und Spaß haben und erliegst anderen niederen Trieben. Verstehst du, an allem im Leben steht am Ende ein Ausrufezeichen, außer an den Dingen die du dir aussuchen kannst. Natürlich kannst du, wenn du alle deine Bedürfnisse gestillt hast, auch in deiner Wohnung sitzen und deine Wand anstarren, aber wenigstens tust du es freiwillig. Ich schreibe, das ist alles."

Wie man Single bleibt 💔

"Sag mal, mit wem schreibst du da eigentlich ständig?"

"Was? Mit niemandem."

"Aber du tippst doch die ganze Zeit auf deinem Handy rum."

" Ich mach mir nur Notizen."

"Was für Notizen, wozu denn?"

"Über dies und das eben."

"Hey! Du hörst mir ja gar nicht zu!"

"Was?"

"Was für Noootiiiizeeeen?"

"..."

"Du schreibst doch mit jemandem, zeig mir dein Handy!"

"Was?"

"Gib mir dein Handy, oder ich gehe auf der Stelle!"

"Könntest du etwas langsamer sprechen?"

"Was, ich...du verdammtes..hör mir doch mal...wie langsamer, hä?!"

"Ich komm sonst nicht mit."

"Mit was mitkommen?"

"Mit meinen Notizen!"

"DU MACHST MICH WAHNSINNIG, WEIßT DU DAS?! WAAAAAHNSINNIIIG."

"Was? Ich hab doch gesagt, du sollst langsamer sprechen, bitte."

Très Chick!

Ich werde ja selbst seit Jahren als Model und Stilikone klassischer Prêt-à-porter Mode gehasst und geliebt. Wenn ich zum Beispiel Sachen, die ich auf dem Boden finde, mit solchen kombiniere, die schichtweise über der Stuhllehne hängen, kann es schon mal passieren, dass ich Sandalen und kurze Hose zu Winterjacke und Mütze trage, zumindest, wenn ich einen Tag erwische an dem sich das Wetter und ich uneins sind, oder, ich seit drei Wochen vergessen habe zu waschen. Böse Zungen behaupten ich zöge mich an wie ein Obdachloser, doch ich würde sagen, dass ich auf gekonnte Art mit den Jahreszeiten spiele.  Als Accessoire trage ich natürlich immer eines meiner bezaubernden Lächeln, das grundsätzlich auf den jeweiligen Schmutzgrad des Jutebeutels abgestimmt ist. Das Highlight ist aber immer, wenn ich mich auf dem 250m langen Laufsteg von der Haustüre bis zum Netto präsentiere, und mich an der einzigen Ampel, in der Mitte der Straße, einmal kurz um mich selbst drehe, während es bereits rot geworden ist. Das garantiert ungeteilte Aufmerksamkeit und sensibilisiert die Menschen für neuaufkommende Trends für die nächste Saison. Schlimm wird es meistens, wenn ich anderen Trendsettern begegne, wie zum Beispiel Sixpack-Jürgen, der seit Jahren den selben Trainingsanzug trägt, die Jacke nicht mehr über den Bierbauch bekommt und täglich zwei Sixpacks kauft. Nicht gerade innovativ, aber dafür konsequent seiner Linie treu, weswegen wir uns auch selten in die Quere kommen. Rucksack-Andi hingegen muss ständig im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, und verlässt niemals den Laden ohne wenigstens einmal rumgeschrien zu haben, oder etwas zu Bruch gegangen ist. Er legt all seinen Fokus auf seinen Rucksack, den er liebevoll mit allerlei Ansteckern und Aufnähern aufgepeppt hat, die er je nach Belieben und Stimmung auswechseln kann. Seine Besonderheit ist die Weise, wie er seinen Rucksack trägt. Da er seit Jahren unangefochtener Spitzenreiter im Beim-Ladendiebstahl-Erwischtwerden ist, erkennt man an seiner Haltung das ungefähre Gewicht des Inhaltes und vergleicht dies mit den zwei Kräuterschnäpsen, die er auf das Band gelegt hat. Manchmal erlaubt er sich einen Spaß, indem er einen leeren Karton in den Rucksack packt, und an der Kasse darauf wartet, dass die Kassiererin ihn darum bittet ihn zu öffnen. Dieser Stil gehört zweifellos zu den gewagtesten, wird es aber weiterhin sehr schwer haben, sich langfristig als massentauglich durchzusetzen. Abschießend lässt sich feststellen, dass sich ein Mix aus all diesen Stilen auf den Straßen durchgesetzt hat  und weiter tun wird, es ohne uns, aber nie dazu gekommen wäre. Echtes Bewusstsein für Stil und Ästhetik färbt eben immer ein bisschen auf den Pöbel ab.

Montag, 23. September 2019

...und dann noch eine.

Ich stehe auf um nicht mehr liegen zu müssen und setze mich auf die Couch. Das Drehen und Wenden ist sinnlos. Die Wände sind warm und das Zimmer wirkt kleiner als sonst. Der Couchbezug passt sich sofort meiner Körpertemperatur an und ich rutsche hin und her, um schließlich wieder aufzustehen. In der Schale, die ich mit Wasser für durstige Vögel befüllte und auf das Fenstersims stellte, schwimmen tote Fliegen und Spinnen. Eigentlich wollte ich Leben retten, aber es ist wie es ist. Ich schütte das Wasser in die Toilette, fülle neues hinein und stelle sie wieder nach draußen. Jeder verdient eine Chance, und dann noch eine.

Sei du selbst!

Es ist völlig egal wie du rumläufst, auch, wenn du dich mal schick machst und dein Viertel verlässt. Solange du noch immer von zwielichtigen Gestalten nach Alufolie und Ascorbinsäure gefragt wirst, weißt du, du bist noch du selbst. Die Särge unter deinen Augen sind auch da wenn du lächelst, und auch mit neuen Schuhen lässt sich deine gebückte Art zu gehen nicht verheimlichen. Sie wissen bescheid, sie wissen was du bist. Und obwohl du das Schlimmste bis jetzt vermieden hast, werden sie da sein, wenn du schwach wirst. Sie warten auf dich, wenn der Drink nicht mehr hilft, wenn du müde bist, und einen warmen Platz brauchst an dem du hundert Jahre schlafen kannst. Schlafe nicht! Bleib wach! Geh nach Hause, und leg dich hin!

Dienstag, 3. September 2019

Hallo Deutschland

Ich weiß noch, als ich als siebenjähriger Junge auf amerikanischen Panzern herumkletterte, Hotdogs aß und Cola trank, eine Feldmütze trug, die ich von einer jungen, amerikanischen Soldatin geschenkt bekommen hatte, und Krieg noch eine coole Sache war. Einmal im Jahr war offene Tür in der ehemaligen SS-Kaserne (heute Z-Bau), neben der ich mit meiner Mutter gewohnt habe und aufgewachsen bin. Mit Tod und Zerstörung hatte Krieg für mich nichts zu tun, ich wusste nur, dass die "Amis" unsere Freunde sind und ihre Kaugummis nach Zimt schmecken. Jeden Sonntag standen sich, in einer 2x2m Wüste, zwei Armeen gegenüber, und beide passten sie, mit samt Artillerie, in einen kleinen Stoffbeutel. Es gab nie einen Sieger, genau wie heute. Irgendwann fuhr ich mit meiner Mutter, mit der U-Bahn, in die Stadt, und fragte sie was das für Kreuze seien, die auf dem Sitz neben uns gemalt waren. Sie sagte, dass sie Hakenkreuze genannt werden, und von Menschen gemalt werden, die andere Menschen nicht mögen, weil sie nicht hier geboren sind. Ich fragte sie, warum sie sie nicht mochten, und ob Mehmet hier geboren worden sei, und wenn nicht, ob sie dann auch etwas gegen ihn hätten, den Mehmet war schließlich mein bester Freund bei dem ich regelmäßig aß. Ich durfte nicht zulassen, dass ihm oder seiner Familie etwas zustößt, also klaute ich den dicken, schwarzen Edding meiner Mutter und strich sämtliche Hakenkreuze durch, die ich fand. Ich fühlte mich wie ein Superheld, der nach jedem durchgestrichenen Hakenkreuz stärker und stärker wurde. Heute bin ich erwachsen und seh sie noch immer, aber jetzt habe ich die WAHL und setze mein Kreuz dagegen.

Ihr letzter Kampf

Sie hasst Brokkoli, und jeder soll es wissen. Irgendetwas daran bringt sie zum Weinen, und auch das Netz Orangen macht es nicht besser. Erst hatte man ihr gesagt, dass, wenn sie nicht sofort leise wäre, vor der Tür warten müsse, aber Drohungen dieser Art ließen sie völlig kalt. Ihrer jüngeren Schwester ist es sichtlich peinlich und sie schläft genervt ein. Sie will raus hier. Sie will aufstehen und durch die Gänge tanzen, denn dieser Brokkoli ist viel zu grün, als dass man neben ihm bequem sitzen könnte. Das Einzige, was jetzt noch fehlt sind Gummibärchen, doch in der Sekunde als sie nach der Packung greift, wird ihr versichert, dass sie es vergessen könne, nach so einer Vorstellung, überhaupt an Gummibärchen zu denken. Das ist noch viel schlimmer, als Brokkoli und Orangen zusammen, und ihre Fäuste treffen immer wieder die Cornflakespackung, die nach der dritten Runde schließlich K.O. geht. Dieser Kampf war ihr letzter für heute, aber ich kann in ihren Augen sehen, dass das Feuer noch brennt. Wann immer sich ihr Brokkoli in den Weg stellen wird, wird sie da sein und kämpfen. So ist es, und so wird es immer sein.

Bookwalking

Es reicht nicht 1.93m groß zu sein, erst wenn du ein Buch in den Händen hältst darfst du durch die Straßen laufen, als würden sie dir gehören. Die Menschen schreien mich nicht mehr an,wenn ich nicht auf den Weg achte, oder versuchen mich durch aggressiven Fahrstil mit ihren Kinderwägen vom Gehweg zu drängen. Seit vier Wochen wartet an jeder Ecke ein Lächeln auf mich, und die Kassiererin im Rewe City sagte, sie kenne Miranda July, woraufhin wir uns gegenseitig zunickten, als seien wir Mitglieder eines geheimen Clubs. Egal wie viele Löcher mein T-Shirt hatte, sobald ich ein Buch aufschlug und los lief, gehörte die Welt mir. Ich stand neben einer schönen Frau an der Ampel und las, während sie etwas in ihr Handy tippte, und plötzlich den Kopf hob und mich wahrzunehmen schien. Es war großartig. Seitdem gehe ich ohne Buch nicht mehr über die Straße, oder fahre Fahrrad, weil ich Angst habe überfahren zu werden, und wenn ich jemanden kennenlernen möchte, verbringe ich den Tag einfach in der Bibliothek. Falls also irgendjemand auf die Idee kommen sollte mir etwas mitteilen zu wollen, schreib es einfach auf, ich werde es lesen, irgendwann, irgendwo, auf einer ewigen Straße Richtung Sonne.

Samstag, 24. August 2019

Wahnsinn

Wahnsinn

(Definition: Immer wieder das Gleiche tun und andere Ergebnisse erwarten.)

Bleib zu Hause. Frage dich selbst, ob das sein muss, wie oft du es bereut hast, und triff eine klare und nüchterne Entscheidung. Das geht nicht, sagst du? Lass mich raten, du bist bereits unterwegs, oder? Du musst nicht antworten, bis jetzt ist nichts passiert, und du kannst immer noch umdrehen. Lüge, erfinde irgendetwas, sage, du hast gerade die Liebe deines Lebens getroffen, geh Heim, und leg dich hin. Erinnere dich an das, was du eigentlich tun solltest, und vor allem, erinnere dich an dein Bett, und wie leer es gerade ist. Denke an die Stille, die Dunkelheit, zum Sterben schön, nicht wahr. Aber jetzt, sieh sie dir an, sieh sie dir an, damit du nicht vergisst, wie du gerade aussiehst, doch wenn es sein muss, dann trinke, trinke viel und schnell, damit du einen Grund hast zu gehen. Wenn du betrunken bist, ist dir niemand böse, und vielleicht schaffst du es sogar vor 24Uhr im Bett zu liegen. Ich weiß was du willst, ich weiß was du brauchst, also mach die Jalousien runter, stelle die Glocke ab und lass die Welt da draußen. Träume von leeren Dünen und der See, von feinem Sand der dich trägt und das Rauschen der Wellen, dort gehörst du hin. Ein kleines Haus, ein Hund, den du Kafka nennst, ein Papagei namens Hank, und jede Menge Zeit und Papier. Träume, mein Kind, träume

Sonntag, 18. August 2019

Das Leben ist schön...

Ich schäme mich nicht. Ich habe auch gar keine Zeit mich zu schämen, wenn ich nachts Vicky Leandros singend nach Hause laufe, und dabei immer wieder betone, dass du doch weißt, dass ich das Leben liebe. Andere wissen das vielleicht nicht, und deshalb bin ich davon überzeugt, es jedem der mir begegnet, so lange lauthals mitteilen zu müssen, bis man es mir glaubt. Wenn dem nicht so wäre, könnte ich die Stille genießen, die zwischen der ersten Straßenbahn und dem Aufgehen der Sonne ruht, oder dem neusten Klatsch der Raben lauschen, die mich seit der großen Kreuzung nicht mehr aus den Augen lassen. Natürlich bin ich alleine, das ist gut so. Ich wäre es auch, wenn ich mich nicht gestern Abend, spontan, dazu hätte bewegen lassen, doch nach draußen zu gehen. Ich denke darüber nach, wann Zuhausebleiben zur echten Alternative wurde, und wie oft ich als Kind darum habe betteln müssen, den Ball, eine Stunde länger gegen das Garagentor der Nachbarn donnern zu dürfen.
Sobald ich tun konnte was ich wollte, tat ich immer weniger. Wenn ich jetzt an einen Discobesuch denke, lege ich mich vorher drei Stunden hin, und schlucke zur Sicherheit zwei Esslöffel Olivenöl, ehe ich ein Bier bestelle. Der Gedanke an mein Bett, hat mich noch von jeder Party geholt, und ich bin der Erste, der vom Pinkeln nicht mehr wieder kommt. Heute ist Sonntag, und ich hoffe, du weißt, dass ich das Leben liebe. Gute Nacht.

Dienstag, 6. August 2019

Bienenstich&Pils

Sie hielt die Zigarette mit Daumen und Zeigefinger, steckte sie sich vorsichtig zwischen die Lippen und zündete sie sich an.
Es sah ein wenig so aus, als hätte sie vergessen wie man raucht, oder wie man dabei möglichst lässig aussieht, doch vermutlich war ihr das völlig egal. Genauso, wie es egal war, ob sie in ihrem Alter rauchen würde, oder nicht. An Krebs würde sie jedenfalls nicht sterben, wenn sie ihn nicht schon haben würde. Ein Hitzschlag, Herzinfarkt, oder ausnahmsweise auf natürlichem Wege, wäre eine weitaus realistischere Möglichkeit. Vielleicht, würde sie sich auch an einem großen Stück Bienenstich verschlucken, und ersticken, aber den gibt es nur montags, und nur dann, wenn alle anderen Damen ihres Stockwerks auch mit am Tisch, vor dem kleinen Café, sitzen. Die Wahrscheinlichkeit in Gesellschaft zu sterben ist wesentlich geringer, und wer hat schon Lust  an einem Montag zu sterben. Ich denke oft über das Sterben nach, wenn ich einkaufen gehe, und wie man sich fühlen muss, wenn man siebzig, achtzig, oder sogar neunzig Jahre gelebt und erlebt hat. Ich weiß nicht, ob Älterwerden oberste Priorität haben sollte, für mich spielt Qualität eine viel wichtigere Rolle. Aber das sagt sich natürlich einfach, mit dreiunddreißig, und Single, ohne Familie und Verpflichtungen. Bis jetzt habe ich in meinem Leben so gut wie nichts erreicht.
Ich gebe den klassischen Versager, ein Träumer, der am liebsten liegt. Und wäre mein Leben morgen vorbei, hätte ich mir nichts vorzuwerfen, außer, dass ich manchmal nicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen bin. Ich kann mir nicht vorstellen eines Tages  mit all den andern Alten am Tisch zu sitzen, aber sitze heute mit euch, und trinke Pils. Alles nicht so einfach.
Eigentlich, möchte ich gar nicht alt werden, nur um alt zu werden. Wenn ich nichts weitergeben, oder hinterlassen kann, ist es völlig ok zu gehen. Es wird ja stetig schwerer, egal, in welchem Lebensabschnitt man sich befindet. Wenn ich also das nächste Mal einkaufen, und an dem kleinen Café vorbeigehe, und die alte Dame ihre Zigarette mit Daumen und Zeigefinger hält, während sie sich sie anzündet, dann werde ich mir ebenfalls eine Zigarette anzünden. Und falls es ein Montag sein sollte, werde ich Pils kaufen, und auf dem
Rückweg ein großes Stück Bienenstich, und ich werde mich zu ihr setzen, und sagen: "Hallo, Frau Noriker, wie geht es Ihnen denn, ich habe Ihnen eine großes Stück Bienenstich gekauft, und mir ein Pils, ich glaube, später soll es noch regnen."

Samstag, 3. August 2019

Nürnberg bei Nacht.

Der Typ mit der Gitarre macht keinen guten Eindruck. Er trägt sie mit dem Rücken nach oben vor sich, so, dass man auf ihr Karten spielen könnte, während ein 1-Dollar-Schein darauf liegt, und einen kleinen Haufen eines weißen Pulvers verdeckt. Es ist kurz nach 0Uhr, als er mir sagt, dass es Ephedrin sei, und gleichzeitig den Dollar rollt, um mir etwas anzubieten. Ich lehne ab, andere nicht. Das Konzert beginnt in einer halben Stunde, und die meisten Leute stehen vor dem Club und rauchen. Eine Flasche fällt zu Boden, dann noch eine, doch diesmal mit Absicht. Ich frage ihn, ob er etwas auf der Gitarre spielen könne, was ihn dazu veranlasst das restliche Ephedrin in eines seiner Nasenlöcher verschwinden zu lassen. Er beteuert, dass er gerade nicht spielen könne, und lässt seine Hand ein Mal demonstrativ über die verbliebenen drei Saiten fahren, dann dreht er sie wieder mit dem Rücken nach oben, und holt das kleine Tütchen aus seiner Hosentasche. Er rollt den Schein, ich lehne ab, andere nicht. Nun trommelt er einen einfachen Takt gegen die Wand hinter uns, und möchte, dass wir ihn gut finden. Ich trinke von meinem Bier, tue so, als hätte ich gerade jemanden gesehen den ich kenne, und gehe in Richtung Eingang. Eintritt fünf Euro. Sie kleben mir ein Bändchen um mein Handgelenk, und ich gehe wieder raus, um zu rauchen. Der Gitarrentyp trommelt noch immer, doch niemand sieht ihm mehr zu. Das Konzert beginnt.

Donnerstag, 1. August 2019

Ich glaube, dass..

Ja, ich bin getauft, und ja, ich bin konfirmiert. Und wenn ich jemals einen Pfennig von meinem Konfirmationsgeld gesehen hätte, hätte ich mich vielleicht dazu überreden lassen können an "Gott" zu glauben. (Danke Mutter, danke Vater (Ruhe in Frieden)) Mittlerweile, kann ich diese Frage jedoch nicht mehr ganz so einfach mit einem "Nein" beantworten, da sich in den letzten Jahren ein "Aber" eingeschlichen hat. Mit einer Gemeinde, oder Kirchengängen, obwohl ich sakrale Bauten aus architektonischen Gründen per se als sehr schön empfinde, habe ich dennoch nichts zu tun. Gestern, war es aber dann doch soweit, und die Hand einer Frau ließ mich nicht mehr los, ehe ich die Kirche betreten hatte. Ich muss zugeben, erst rechnete ich damit in Flammen aufzugehen, doch dann, habe ich nur ein wenig geschwitzt. Ich weiß nicht, vielleicht lag es an der Flasche Rosé, oder meinem schwarzen Woll-Cardigan. Als wir also so dasaßen, und dem Pfarrer dabei zusahen, wie er ein Schild mit der Aufschrift: "Altar betreten verboten. Achtung Alarmanlage.", aufstellte, stellte ich mir vor, wie sich nachts radikale Christen, auf akrobatische Weise, Zutritt zum Altar verschaffen würden. Ihr Anführer, würde in einer Mönchskutte, an einem Seil befestigt über dem Altar schweben, und während der Predigt, beim  Umblättern des Gesangbuches, höllisch darauf aufpassen müssen, keinen der Laserstrahlen zu berühren, was einen sofortigen Alarm in Form von dem Läuten sämtliche Kirchenglocken nürnbergs zur Folge gehabt hätte. Als mir aber diese eigenartige Ruhe auffiel, fing ich an, diesen Ort ein wenig besser zu verstehen, und warum er vielen Menschen, ob gläubig, oder nicht, viel Kraft geben kann. Es ist eine andere Ruhe, als wenn ich alleine zu Hause sitze, und versuche die Welt  zu vergessen, es ist eine Ruhe, die durch gemeinsames Schweigen entsteht, und dadurch zu etwas Besonderem wird. Nach etwa zehn Minuten entschieden wir uns dann wieder zu gehen, nicht jedoch ohne, dass ich einen bösen Blick von einer jungen Frau erntete, irgendjemand hasst einen ja immer, Amen.

Dienstag, 30. Juli 2019

Du bist groß, und schön.

Nur die Post holen, nur nachsehen, ob der Tag dir gehört, oder jemandem, den du nicht kennst. Dessen Name in der Kopfzeile des Schreibens steht, und dessen Gesicht du dir fies grinsend hinter einem altmodischen Computer aus den 90ern vorstellst. Mit vier verschiedenfarbigen Textmarkern, mit Kugelschreibern, Bleistiften mit Radiergummi, und stets griffbereiten Büroklammern auf dem Tisch. Mit einem kleinen Kalender in dem Tage wie "Tag des Baumes", oder "Tag des Lachens" eingetragen sind, während er dasitzt, und seine fettigen Hände über die Tastatur schmieren, und laut auflacht, wenn er die Wörter: Nachzahlung, Abgelehnt, und Sanktion, schreiben darf. Doch du hast Glück, der Briefkasten ist voller Reklame, und die kommenden 24 Stunden gehören nur dir. Du bist deswegen nicht glücklich, aber wenigstens nicht traurig, und das ist mehr, als du erwarten kannst. Du beschließt deshalb etwas Mark Twain im Stadtzentrum zu lesen, und gerade, als du dachtest, dass es nicht immer darum geht zu gewinnen, sondern meistens darum, nicht zu verlieren, macht dir deine alte, russische Nachbarin, mit den rotorange getönten Haaren, ein Kompliment, welches du erst absichtlich überhörst, dann aber nachfragst, und dich schließlich bedankst. So groß, und schön sollst du sein, und wenn sie jetzt 40 Jahre jünger wäre, dann, aber da verabschiedest du dich schon, lächelst, und wünscht ihr einen schönen Tag. Jetzt kann dich nichts mehr aufhalten, du bist groß, und schön, und wenn die Bank dir deinen Plastikbeutel voller Kupfermünzen wechselt, kannst du dir vielleicht ein Baguette, und eine Flasche Wein leisten.

38°C Nürnberg

Unter der Markise der Franchise-Bäckerei haben sich einige Tauben versammelt. Ihre Flügel sind versengt, und viele liegen bereits regungslos in den Ecken. Sie hatten sich vom Fleisch verwesender Körper ernährt, die ausgedörrt auf den Straßen lagen, doch jetzt sind es nur noch Gerippe. Es ist kein Wasser mehr in den Brunnen, der Fluss liegt trocken, und die Wasserhähne still. Sämtliche Supermärkte wurden geplündert, und niemand kann sagen wann es wieder regnet. Noch vor einer Woche fuhren Fahrzeuge der Bundeswehr durch die Straßen, die versucht hatten, die Einwohner mit Trinkwasser zu versorgen, doch als die Rationen immer kleiner wurden, brach das Chaos aus. Die Menschen töteten ihre Haustiere um ihr Blut zu trinken, dann griffen sie sich gegenseitig an. Einige vermuteten letzte Wasserreserven in einem nahegelegenen Stützpunkt der Armee, und schlossen sich zusammen, um ihn zu überfallen, doch bis jetzt, habe ich keinen von ihnen wieder gesehen. Ich bin alleine. Ich habe überlebt, weil ich getötet habe. Ich weiß nicht wie lange ich noch durchhalte, aber wer auch immer das hier liest, ich hätte gerne einen riesigen Eisbecher mit Sahne, und einen großen Eistee, danke.

Fridays for Future

"Aber wir müssen den Planeten retten, wir haben nur diesen einen!"

"Ich sag dir jetzt mal was, der Mensch hat keinerlei biologischen Mehrwert, er ist reiner Konsument. Er wird geboren, frisst was er zwischen die Zähne bekommt und stirbt. Der absolute Räuber, das Endprodukt einer langen Kette zufälliger Ereignisse. Nur vor einem muss er sich fürchten, der letzte Fressfeind der ihm bleibt, die Logik. Er fragt sich ständig warum, und verzweifelt daran. Seine bloße Existenz zwingt ihn sich selbst, sein Dasein, und die Welt, ja, sogar das gesamte Universum in Frage zu stellen, bringt er doch durch sein Handeln so ziemlich alles aus dem Gleichgewicht. Man könnte der Evolution in diesem Fall durchaus eine gewisse Art von Humor zusprechen, wäre die Lage nicht so ernst. Doch hat man einmal die Bedeutungslosigkeit bloßer Existenz hinter sich gelassen, fängt das Leben richtig an Spaß zu machen. Lasst uns übermäßig viel Fleisch essen, lasst uns den Wald rohden und den Rest anzünden, heizen wir unsere Häuser mit Dinosauriern, und fahren mit dem SUV Schnaps und Zigaretten holen. Ich möchte in jeder Stadt so viele Waffenläden wie Fastfood-Restaurants, und Reklame im Briefkasten, in der ich Coupons finde, mit denen ich zu jedem Super-Doublesize-Sparmenü, eine Waffe und einen Karton Schnaps gratis bekomme. Wofür sollen wir denn kämpfen? Für die Zukunft unserer Kinder, bis die, für die Zukunft ihrer kämpfen?
Falls wir es schaffen sollten zu überleben, bis wir in der Lage sind den Planeten zu verlassen, ehe sonst was passiert, was dann? In einem fast unendlichen Vakuum vor sich hin vegetieren, großartig. Lasst uns in den Abgrund springen und feiern, lasst uns feiern, und sterben."

"Sag mal, hast du heute morgen schon gefrühstückt?"

Discounterliebe

Das leise Zischen der Glasschiebetüren, der  lässige Blick zur Kassiererin, ihre toten Augen, und das angenehm kühle Klima, ich komme gerne hier her. Minutenlang stehe ich in der Obst- und Gemüseecke, erfreue mich an der kleinen Auswahl, oder wiege, einfach nur zum Spaß, jede faulige Weintraube. Ich berausche mich an den Sonderangeboten in der Aktionskühltruhe, und wenn ich einen 30%-Rabattsticker auf einer Packung Käseaufschnitt entdecke, treffen sich zwei Tränen auf meiner Wange. Auch das Piepsen des Backautomaten habe ich heimlich aufgenommen, um abends besser einschlafen zu können. Es dauert höchstens fünf Minuten,  und sofort träume ich von leckeren Brezen und Baguettes. Es kommt vor, da gehe ich drei- bis viermal täglich einkaufen, nur, um mich anstellen zu können. Besonders samstags, gen Abend, wenn die Schlange am längsten ist, stelle ich mich an, und kaufe mir nichts außer ein Päckchen Halsbonbons. Und wenn der Moment gekommen ist, in dem matt schimmernde Münzen von der einen in die  andere Hand wechseln, und sie sich, in einem kurzen Augenblick der Lebenslust, berühren,  dann weiß ich, das Leben ist schön, hier werde ich verstanden. Ich komme wieder, versprochen.

Wohlfühlfaktor

Viele von meinen Sätzen, beginnen mit: "Ich weiß nicht.", und meistens, folgt dann ein: "...ich mach das nach Gefühl." Wie oft man Bettwäsche waschen sollte, entscheide ich daher nach der Anzahl der Flecken, also dem bekannten "Wohlfühlfaktor", und, je nach dem, wie viele Nachbarn sich in die Waschliste eingetragen haben. Auch die Herkunft des Flecks spielt dabei eine entscheidende Rolle. Linsensuppe wäre da ein passendes Beispiel, welches sofortige (am nächsten Tag) Maßnahmen erfodert, sollte es auf Grund eines alkoholisierten Zustandes mit der Löffel-zum-Mund-Koordination wider Erwarten nicht mehr ganz so gut geklappt haben. Auch die Currywurst verschwindet ganz schnell zwischen den Laken (schmeckt auch noch kalt am nächsten Morgen), und hinterlässt dementsprechende Spuren nächtlicher Fressattacken. Da Dreh-und Angelpunkt meines Lebens das Bett ist, und ich auf gar keinen Fall essen im Bett, als negativ konnotiert wissen möchte, empfehle ich mundgerechte Häppchen, welche weder Flüssigkeit verlieren, oder benötigen. Käsebrote (Achtung, kein Schmierkäse) sind deswegen sehr zu empfehlen. Natürlich, gibt es auch die Möglichkeit einfach ohne Laken bzw. Decken-und Kopfkissenbezug dahinzusiechen, diese Variante erweist sich allerdings als sehr radikal, da bei massiver Verschmutzung meist keine Chance auf rückstandslose Entfernung besteht. Falls Sex Bestandteil deines Lebens ist, oder du es in naher Zukunft als erstrebenswert erachtest welchen zu haben, ist eine Diskusion über die Häufigkeit des Waschen hinfällig. Hier gilt die Regel, einmal pro Woche, und je nach Zustand.

Heute wird also wie folgt verlaufen:

Waschliste checken, und enttäuscht auf Freitag warten, um zwischen 16Uhr und 17Uhr endlich waschen zu können.

Suppe machen, und im Bett essen.

Flecken verreiben.

Später schreiben und noch später neue Songs im Proberaum aufnehmen.

Bier trinken.

Bier trinken.

Bier trinken.

Döner kaufen und nach Hause fahren.

Im Bett essen.

Flecken verreiben.

Kein Sex.

Schlafen.

Aufwachen.

Enttäuscht bis Freitag warten.

Wir müssen eine Lösung finden.

"So, Herr Lenthe, es ist mal wieder soweit. Was haben Sie denn in den letzten Monaten so getrieben?"

"Ich habe mich intensiv darum bemüht aufzustehen, so, wie Sie es mir aufgetragen haben, ich habe mir wirklich Mühe gegeben, und heute, hat es zum ersten Mal geklappt, vielen Dank."

"Herr Lenthe, so kann das mit Ihnen nicht weitergehen, Sie sind jung, Sie haben ihr ganzes Leben noch vor sich!"

"Aber ich habe doch schon 33 Jahre hinter mich gebracht, wie lange soll ich denn noch..."

"Herr Lenthe, wir müssen eine Lösung für sie finden. Sie können nicht den ganzen Tag nichts tun, Sie müssen ihren Beitrag leisten, denken Sie doch mal an andere."

"Aber bitte, ich denke an nichts anderes. Bevor ich hierher gekommen bin, habe ich die ganze Zeit an Sie gedacht. Ich denke ehrlich gesagt jeden Tag an Sie, deswegen habe ich es auch geschafft aufzustehen, und habe Ihnen dieses Gedicht geschrieben, nur für Sie."

"Vielen Dank, aber ich..."

"Warten Sie, ich habe es gleich hier, hören Sie zu!"

"Herr Lenthe, ich..."

"Heute muss ich früh aufstehen
Ich bin schon ganz begeistert

Heut werd ich dich wieder sehen
Das macht mich froh und heiter

Wie du da sitzt in deinem Stuhl
So wunderschön und lässig

Ich wünschte ich könnt du jetzt sein
Dann wär es nicht so stressig

Ich schenk dir auch mein Lächeln
Es gehört dir ganz allein

Doch wenn du es nicht haben willst
Dann fahr ich wieder heim

Drum schreib ich dir hier dies Gedicht
Und hoffe es gefällt

Wenn du mich rufst dann komme ich
Ganz frisch und wie bestellt"

"Das ist..."

"SIE HASSEN ES ODER? LOS, SAGEN SIE ES SCHON, SIE HASSEN MEIN GEDICHT."

"Bitte beruhigen Sie sich!"

"NEIN, SIE HASSEN MICH, SIE HASSEN MICH UND MEIN GEDICHT, ES HAT MICH SO VIEL KRAFT GEKOSTET, ICH LIEBE SIE."

"Ziehen Sie sofort ihr Hemd wieder an Herr Lenthe!"

"LOS, TUN SIE ES SCHON, REIßEN SIE MIR MEIN HERZ RAUS, ICH FLEHE SIE AN, ICH KANN SO NICHT WEITERLEBEN, TUN SIE ES, LOS!"

"Hallo Security, kommen Sie bitte ins Zimmer 213, ich werde..

"LOS, WORAUF WARTEN SIE DENN NOCH?"

"SO, SCHLUSS JETZT FREUNDCHEN, ANZIEHEN UND MITKOMMEN!"

"NEIN, MEIN GEDICHT, SIE MÜSSEN SICH MEIN GEDICHT..."

"ABFÜHREN!"

Standort eines Bestattungsinstituts

Ich weiß es nicht. Ich meine, wer weiß sowas schon. Ich hätte hingehen können und fragen, hätte gefragt warum, oder ob das Absicht, ob strategisch bewusst gewählt usw., aber vielleicht hätte er, hätte sie, gar nicht gewusst, wären eben einfach nur da gewesen, wie jeden Tag. Wie jeden Tag, an dem ich vorbeilaufe und denke, und schweige, nur laufe und schaue, und andersherum. Also, ich würde einfach hingehen und fragen, und mich als erstes entschuldigen:

"Entschuldigen Sie bitte, darf ich Ihnen einmal eine Frage  stellen?"

Genaus so würde ich es machen,und dann...

"Sehr gerne."

Und dann weiter:

"Wissen Sie, was hier vorher für ein Laden drin war, also, bevor Sie, und, hat das einen Grund, warum genau hier, inmitten von Discountern, Pizzarien, Bäckerein, hier sprießt doch das Leben?!

"PSSSSCHT!"

"Ach, ich verstehe, jetzt verstehe ich, das Altersheim, das Altersheim ist es, hab ich recht?"

"PSSSSCCHHHHT"

"Ja, ganz leise, ganz leise bin ich, pssssssccchht."

Der eine so zum andern.

"Da kannst du froh sein, sag ich dir, wirklich froh, dass du deine Ruhe hast. Zumindest dieser einen Falle "Familie" bist du entkommen, wenn auch mit zahlreichen Narben, aber dein Leben, dein Leben hast du gerettet und musst es nicht mehr teilen, es gehört dir ganz allein. Was hätte ich gejubelt, wenn Vater früh verstorben und Mutter mein Bild durch das des Liebhabers getauscht. Alles hätte ich getan, genügend Gründe zu haben sie auf ewig zu verfluchen, und so bald als möglich das Haus zu verlassen. Gerne wäre ich mit geballten Fäusten dagestanden, mit einem Kopf voll Hass und einem Magen voll Traurigkeit. Hätte ich nur ein Mal die Möglichkeit gehabt so wütend zu sein wie du, hätte nur ein Mal nicht gewusst wohin, obwohl mir ein Schlüssel um meinem Halse hing. Und jetzt hast du niemanden und bist frei, frei, und ganz für dich, und musst nichts, und niemand sagt dir mehr. Wie glücklich musst du sein, ohne diesen Käfig der Verwandschaft, ohne die Sonntage, ohne Geburtstage (das sind immer die schlimmsten), und niemals lügen, nie erfinden müssen, immer ehrlich nein sagen, wenn es dir nicht passt, das will ich auch, das will ich auch. Ich wünschte, ich..."

"Du bist nicht glücklich, dass sich jemand sorgt, der Acht gibt, und nur dein Glück zum Ziele hat?  Genießt du nicht die Herzlichkeit zu Tisch, das gemeinsame Sein, und die Erinnerung, festgehalten in Bildern, die du deinen Kindern zeigst, und lehrst was Zusammenhalt bedeutet? Bist du nicht außer dir vor Freude das Gelächter deiner Kinder zu hören, wenn sie auf den Wiesen tollen und zanken, und die Welt entdecken, wenn sie auf Mutter und Vater, auf Großmutter und Großvater vertrauen dürfen und wachsen? Du musst froh darüber sein, für alle, die es nicht sein können. Und wehre den Fäusten und der Finsternis, sie sind nicht deine Freunde."

Die Dame von der Tanke

"Tach"

"Na, is ja schon dunkel draußen"

"Ja, gut so, is nich mehr so heiß, wa. Ich nehm die vier Bier und den hellen Pueblo, komplettes Paket, bitte."

"Die grünen Gizeh warn das, wa?"

"Yep."

"Du, sach ma, das letzte Mal, als du dawarst ..."

"Ja?"

"Das waren ganz schöne Assitussn, die du da dabei hattest."

"Was, wieso, hä?"

"Na, die eine hat so laut gerülpst, da ham die Scheiben gewackelt."

"Haha, nene, alles gut, die sin cool, easy"

"Also als Frau, wenn man da so rülpst, ich meine, als Mann, ist das ja..."

"Wie als Mann, is doch egal, assi, is assi, is assi, gleiches Recht für alle, verstehste?!"

"Na, meinetwegen, 8, 87€ macht das."

"Mach 9€, ich muss los."

"Bis denn."

"Bis denn."

Mittwoch, 3. Juli 2019

Smalltalk-Montag

Noch eineinhalb Stunden, bis dieser Tag für immer verloren ist. Tagsüber ist es zu heiß, um sich darüber zu beschweren, dass es zu heiß ist, also sagen wir es gleichzeitig, als wir uns sehen. Wir sitzen und trinken, trinken und sitzen, versichern uns immer wieder, wie heiß es war, und hören eine Coverversion von "Girl From the North Country". Jemand kommt auf uns zu, begrüßt uns, stellt seine tragbare Box, aus der eine Art italienischer Reggae zu hören ist, vor uns ab, und beginnt zu reden. Ich drücke auf Pause. Wir kennen ihn nicht, aber er scheint nett zu sein. Er gibt uns immer wieder die Hand, nennt uns "Fratello", und fragt, wo man Bier kaufen könne. Einer von uns erklärt ihm den Weg zur Tankstelle auf deutsch und englisch, er antwortet auf italienisch, und ist 15min später mit Bier und Jägermeister zurück. Er kommt aus "Sicilia", und spricht es genau so aus. Mir fällt ein sizilianisches Lied ein, das ich vor Jahren gehört hatte, und er fängt an mitzusingen. Er sagt, es sei sogar in einem besonderen Dialekt gesungen, und wir stoßen gemeinsam an. Dann muss er gehen. Wir umarmen uns, fast muss er weinen, doch er klopft sich rechtzeitig mit der Faust aufs Herz. Er sagt immer wieder "Fratello", und wir verabschieden uns, nicht ohne uns zu schwören, dass wir uns wieder sehen. Ich drücke auf Play, immer noch "Girl From the North Country". Bis jetzt wissen wir nur, wie heiß es heute war, und setzen unser Gespräch fort. Jemand kommt auf uns zu, begrüßt uns, und ich drücke auf Pause. Wir geben uns die Hände, und ich frage nach Feuer. Wir kennen ihn nicht, aber er scheint nett zu sein. Er möchte wissen, wie es sei, in Barcelona zu leben, und ob ihm 2000€ reichen, bis er einen Job und Wohnung gefunden hätte. Ich frage ihn, ob er spanisch spricht, und er verneint. Ein Mann, hörbar Engländer und sichtlich betrunken, stoppt im Vorbeigehen, und fragt, wie er in den Redlight-District komme. Unser Gast, ist ihm freundlicherweise behilflich, und entschließt sich kurzer Hand mitzugehen. Wir verabschieden uns, niemand weint. Ich drücke auf Play, immer noch "Girl from the North Country". Es ist Dienstag, und gestern war es heiß.

Dienstag, 2. Juli 2019

Einlochen?!

Ständig hatte ich den Mund voll von scharfen Mentholkaugummis, um im richtigen Moment vorbereitet zu sein. Einmal stand sie vor mir am Billardtisch, presste ihren Körper gegen meinen, und forderte mich zu einer Partie auf. Sie flüsterte mir ins Ohr, dass sie jetzt richtig Lust hätte auf "Einlochen", also nahm ich mir selbstbewusst das Stück Kreide, rieb damit die Spitze des Queues ein, und antwortete ihr, dass sie sich auf etwas gefasst machen könne. Erst als ich das Spiel gewonnen, und ein paar Jahre später darüber nachdachte, wurde mir meine Niederlage bewusst. Im Alter von 16 Jahren waren die meisten schon weiter als ich. Sie erzählten von wildem Petting und Knutschereien, und ein paar der Jungs klauten sogar regelmäßig, die getragenen Höschen ihrer Freundinnen. Mein Kumpel und ich verbrachten Nachmittage damit Altpapier-Container nach Schmuddelheften, mit Namen wie "Praline" und "Blitzillu", zu durchsuchen, oder lagen mit Taucherbrillen auf dem Grund des Schwimmbeckens. Nur ein Mal wollten wir eines dieser Mädchen küssen und berühren, doch falls jemand von uns den Mut aufgebracht hätte sie anzusprechen, hätten wir außer einem gestotterten "Ha-ha-hallo-o", vermutlich nichts zustande bekommen. Sie machten uns mit Lipgloss und bauchfreien Oberteilen völlig verrückt. Sie dufteten nach Parfüm und Hubba-Bubba, nach Phantasie und dem letzten gemeinsamen Sommer. Zwei Jahre später sollte ich dann, nach einer Stunde tolpatschigem Auf-und Abgerutsche, freundlich darauf hingewiesen werden, dass sie sich langsam etwas langweile. Das Leben war neu, es war aufregend, und schön, und voll von Möglichkeiten. Eine gute Zeit.

Zwischen Opernhaus und Rotlicht

Die Tomaten- und Gurkenschalen hätte er vom China-Imbiss, sagt er. Wenn er etwas Wasser bekäme, würde es nur ein paar Tage dauern, bis der Inhalt fermentiere, und er seine "Flasche" hätte. Ich schenke ihm ein Bier, frage ob er Wasser möchte. Er hält ein Stück Baguette in der linken Hand, mit der anderen die Krücke. Er beteuert, dass er Meth nur rauchen würde, niemals drücken, das mache in langsam, er hätte da etwas mit den Genen, bei ihm wirke es anders. Das Bier schütte er einfach mit in die Flasche, das wäre gar kein Problem. Das Stück Baguette liegt neben ihm in der Wiese, essen wird er es nicht. Er möchte erzählen, aber ich verabschiede mich und gehe weiter. Es ist heiß, sehr heiß, und ich sehe ihn nie wieder.

Kennst du mich noch?

Nach meinem Namen hatte sie gar nicht gefragt, als sie beiläufig erwähnte, während sie ihr langes, braunes Haar über ihre glänzende Schulter warf, dass sie anscheinend Eindruck hinterlassen habe, da ich ihren Namen, obwohl, wie ich anmerkte, mich eher an Gesichter als an Namen erinnere, noch wisse. "Kennst Du mich noch?", und ich sofort, "Ja, vor einem Jahr, es war Sommer, Julia, oder?". Sie sieht gut aus, sie weiß das. Ich versuche ihre Weiblichkeit zu übersehen, versuche mich so zu verhalten, als würde ich nicht sofort mit ihr ins Bett gehen, wenn sie es wollte, versuche  so zu tun, als wüsste ich nicht, dass es dazu niemals kommen würde, sage ja, oder nein, und nicke. Es ist kein Spiel, zumindest ich kann nichts gewinnen, und meine Aufmerksamkeit, ist ihr sicher. Sie ist dem Wetter entsprechend gekleidet, vielleicht ein bisschen weniger, ich verdecke meinen Körper, drehe mich nie ins Profil, es fällt mir schwer zu atmen. Dann fällt mir nichts mehr ein, und sie steht auf,und geht.  Ich bin nicht enttäuscht, ich gebe ihr recht, wenn ich könnte, würde ich auch.

Was hast du gesagt?

Nichts hat sich verändert, absolut nichts. Falls die Evolution sich irgendwann dazu entscheiden sollte, das männliche  Geschlecht als eigenständiges Individuum zu entsorgen, kann man sie dazu eigentlich nur beglückwünschen. Im Grunde, ist es auch nur eine Frage der Zeit, bis sich abseits von der Version Mann/Frau, intelligentes Leben entwickelt. Ein sich selbst reproduzierendes Geschöpf, welches derart fortgeschritten ist, dass es den männlichen Anteil auf das bloße produzieren von Sperma dezimiert. Dieses ständige voreinander Aufplustern und Vergleichen von Kraft und Ausdauer, diente einmal dazu, dass meist nur potentiell gesundes und starkes Erbmaterial die Chance erhielt zu überleben. Heute ist das anders, heute haben wir, auch wenn gerade das männliche Pendant davor zurückschreckt, Verstand, dessen wir uns bedienen können, bevor wir in Situationen geraten, in denen wir uns fragen, was denn jetzt der eine Mann zum anderen Mann gesagt, und vor allem, wie er das genau gemeint habe, als er sagte, er solle den Geschlechtsakt mit seiner eigenen Mutter vollziehen. Es werden Orte vorgeschlagen, die sich oft vor irgendwelchen Türen beflnden, an denen ein klärendes Gespräch gesucht wird, oder wahlweise an Ort und Stelle diskutiert. Derlei Unterhaltungen enden nicht selten einseitig und oder in einem Raum, den andere Männer auf-und zusperren. Sollten die Gesprächspartner jedoch zusätzlich über die Macht verfügen, welche es ihnen ermöglicht ein ganzes Land oder Kontinent in ihren Disput zu verwickeln, tragen die Konsequenzen meist die, die gar nicht wissen worum es überhaupt geht. Liebe Evolution, sag mir bescheid wenn es soweit ist, ich suche mir dann einen geeigneten Platz, und schlafe friedlich ein, DANKE♡

Oma?

Seit neuestem sitzt sie im Außenbereich des kleinen Cafés neben Netto, trägt einen exzentrisch großen, schwarzen Hut, raucht Kette, und wirft den Leuten fiese Blicke zu. Um sie herum scheint ein natürliches Schutzschild  zu existieren, denn die anderen Gäste sitzen mindestens einen Tisch entfernt, während sie nach jedem Zug hustet, und man meinen könnte sie sei besessen. Ich schätze, sie ist der 90 näher als der 80, aber sie macht nicht den Anschein, als würde sie das sonderlich interessieren, und überhaupt, habe ich eher den Eindruck, dass sie gerade rechtzeitig fliehen konnte, ehe sie von den Bewohnern der Stadt, von einer Klippe geschubst, oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt wäre. Sie ist nicht sehr groß, sitzt leicht gebückt, und trägt die Zigarette im Mundwinkel, wie ein Accessoire, und es steht ihr ausgezeichnet. Ich gehe an ihr vorüber, ihr Kopf hebt sich leicht, gerade so, dass ihre blitzenden Augen knapp unter der Hutkrempe zu erkennen sind, dann sieht sie mich an, und lächelt. Ich möchte mich zu ihr setzen, möchte sie fragen ob ich wach bin, aber ich habe zu viel Respekt, und hoffe, dass ich es nicht bin. Dann, Realität. Die Schiebetüren öffnen sich, die Temperatur fällt auf kühle 15°C, und Butterkäse ist im Angebot. Ich überlege mir noch einmal, mich zu ihr zu setzen, doch als ich den Supermarkt wieder verlasse, ist sie bereits verschwunden. Das nächste Mal, wenn ich sie sehe, setze ich mich zu ihr, auf ein, zwei Fluppen, oder gehe in Flammen auf, wenn sie das möchte.

Mittwoch, 19. Juni 2019

In Sicherheit.

Das Image der bayrischen Polizei könnte besser nicht sein. Täglich geben sie ihr Bestes um mein Leben sicherer zu machen. Öffentliche Orte, an denen Eltern mit ihren Kindern spielen, alte Menschen auf Bänken sitzen, und Mitarbeiter eines Museums oft zu Mittag essen, werden kurzerhand zu gefährlichen Orten klassifiziert. Leider, hatte ich mich zu spät auf der Homepage für gefährliche Orte informiert, und versehentlicherweise, die an diesem Ort geeigneten Sitzgelegenheiten genutzt, um zu lesen.  Selbstverständlich, kamen sofort drei sehr charmant auftretende junge Herren in Zivil, und wiesen mich ausgesprochen freundlich darauf hin, dass ich mich in unmittelbarer Gefahr befände. Sie boten mir an, mich zu meinem eigenen Schutz zu kontrollieren, und meine Personalien festzustellen. Ich fühlte mich außerordentlich sicher, als einer der Herren beinahe versuchte intim zu werden, während wenige Schritte entfernt, zwei kleine Kinder und ihre Mutter fröhlich im Wasserspiel planschten. Ich bedankte mich höflich für meine Rettung, und war froh, befreit von jeglicher Gefahr, mich wieder meiner Lektüre widmen zu können. Hiermit bedanke ich mich in aller Form bei der bayrischen Polizei, die an diesem Nachmittag, durch ihr selbstloses Eingreifen, Schlimmeres verhindern konnte, und mein Leben wieder einmal ein Stück lebenswerter machte, DANKE♡

Sonntag, 16. Juni 2019

Lösch meine Nummer.

Ach Leben, du egoistisches Miststück. Du bist dir immer nur selbst genug, denkst niemals an die, die dich leben, dich aushalten müssen, nur um der scheiß Existenz willen. Du willst dich ständig nur sehen, schmecken, riechen und fühlen, andauernd mit dir selbst beschäftigt auf deinem beschissenen Selbstoptimierungstrip. Was schickes hast du dir einfallen lassen, Evolution hast du es genannt, einen Verstand wolltest du haben, und jetzt wissen wir nicht wohin damit, großartig. Und jeden verlässt du am Ende und nennst es Tod, wenn du genug hast, brichst uns allen das Herz mit deiner Liebe, geh scheißen, bitte. Was brauch ich denn wissen wo die Sterne sind, was oben und unten, was grün ist oder blau, wie heiß eine Herdplatte ist? Die bloße Existenz war dir nie genug, du musstest dich unbedingt versuchen selbst zu begreifen. War es das alles wert, dieser ganze Stress und Schmerz des Erkennens, dass du endlich bist? Wir beide sind fertig, lösch meine Nummer und vergiss meinen Namen, Cheers.

Samstag, 15. Juni 2019

Erster!

Er ist kaum wahrnehmbar, und dennoch, dieser kleine Unterschied, zwischen ihren aerodynamisch geschnittenen, neonfarbenen, 250€ teuren Laufschuhen, den dazu passenden, blendenden  Socken, Arm-und Stirnbändern, Shirts, Shorts, und trainierten Körpern, mit denen sie dich heimtückisch von hinten überholen, dich in ihrer Schweißwolke zurücklassen, die nach Disziplin und Erfolg stinkt, und dir einzig und allein sagen soll: "Ich bin schneller, ich bin schneller als du, und deswegen besser, ich werde immer besser sein, und deshalb immer Erster.",  und deiner dahinsiechenden, verwahrlosten Existenz, auf dem Weg zum Discounter, Schrippen holen, und irgendwas dazu, aber bloß nicht teurer als 0,89€, sonst reicht es nicht für Buttermilch.
Du trägst Sonnenbrille, weil die Sonne scheint, aber natürlich auch, um den Leuten, so frühmorgens, den Tag nicht zu versauen, schließlich sind dir deine Mitmenschen nicht egal. Du betrittst den Laden, um Punkt sieben Uhr. Du bist der einzige Kunde, du bist Erster, HA! 4-5 Schrippen, etwas dazu, Buttermilch. Das Geld is abgezählt, weil du nicht mehr hast. Du stehst an der Kasse, es fehlen 0,09€. Du hast dich verrechnet, oder etwas ist teurer geworden, vermutlich das Zweite. Die Kassiererin sieht dich an, hat Mitleid, winkt ab, und lässt dich gehen. Egal was heute noch passiert, du warst schon mal Erster. Ab jetzt heißt es Gang raus, und laufen lassen.

Mittwoch, 12. Juni 2019

Als erstes verschwanden die Bretter...

Der Kühlschrank im 2. Stock steht immer noch da, also beschloss ich vor ein paar Wochen 80% meiner Möbel in das Treppenhaus vor den Aufzug im dritten zu stellen. Ein kaputtes Regal, einen kleinen Schreibtisch, eine leere Lautsprecherbox, ein Holzschränkchen und einen fleckigen Teppich. Ich wollte es am nächsten Tag in den Keller räumen, aber es schien mir nie der richtige zu sein. Jedes Mal, wenn ich den Aufzug benutzte, lief ich einfach dran vorbei, aber nach Jahren in diesem Haus, fiel mir das überhaupt nicht schwer. Als erstes verschwanden die Bretter des Regals, dann das kleine Schränkchen, und wenn ich Glück habe, und noch ein paar Wochen warte, verschwindet auch der Rest. Ich habe gar kein schlechtes Gewissen mehr, im Gegenteil, ich fühle mich gut. Endlich kann ich den Menschen etwas zurückgeben, endlich hat sich das Aufschieben gelohnt. Die Box, der Teppich und der Tisch sind noch zu haben, ich laufe einfach dran vorbei.

Sonntag, 9. Juni 2019

Seitenwechsel

Der Typ hinter der Bar mieft vor Selbstbewusstsein, dabei ist es nur sein Ego das stinkt, ich kann es riechen, alle können es riechen, selbst das Bier schmeckt danach, klassischer Fall von Selbstüberschätzung. Vielleicht liegt es aber auch an dem Pulver in seiner Nase, oder einfach nur daran, dass er ein Arschloch ist, das passiert nicht selten. Hat man erstmal die Seiten gewechselt, und glaubt sich in einer scheinbaren Machtposition, dauert es meist nicht lange, bis sich Respekt und Anstand verabschieden, das ist nicht immer so, kommt aber recht häufig vor. Plötzlich ist man für etwas verantwortlich und stellt etwas dar, auch wenn es nur darum geht, in einer Kneipe, den Leuten ihr Bier zu verkaufen, immerhin. So viel Macht vertragen die wenigsten, und dann geschieht, was geschehen muss, sie metamorphosieren auf tragische Weise zu einem Haufen Scheiße. Solch ein Verhalten muss selbstverständlich Konsequenzen haben, aber zum Glück, ist das nicht meine Aufgabe. Trinken, kann ich zu Hause auch, da stinkt es genauso.

Freitag, 7. Juni 2019

Du bist ein Held!

Gut, was haben wir da, eins, zwei,.......neun Dosen, yes, das sind 2, 25€, plus die 1,30€ von gestern (zum Glück, hast du die nicht ausgegeben), das macht dann 3, 55€, perfekt, das reicht auf jeden Fall für Essen. Ich bin so froh, früh genug gewusst zu haben was ich werden will,  dass ich keine Probleme habe, das fühlt sich gut an. Ach, Fuck, ich brauch die beiden 0,50C Stücke für die Waschmaschine. Ok, Moment....naja, so lang trägst du das Shirt jetzt auch nicht, vielleicht fünf Tage, geht schon. So, dann schauen wir mal.....ja, es ist schon dunkel, sehr gut, also los und nimm den Müll mit, bitte, es stinkt, danke. Keine Angst, niemand sieht dich, aber etwas beeilen könntest du dich trotzdem, wer weiß was alles passieren ka...shit, der Nachbar, schnell, Straßenseite wechseln und auf's Handy sehen (vielleicht hast du Glück). Wir sind sicher angekommen, tja, Pech gehabt. Mmhh, dieses Neonlicht, wie es meinen blassen Teint und die unterlaufenen Augen in Szene setzt, ich kann es fühlen, ich bin ein wunderschönes Geschöpf. So, erstmal frische Luft in der Tiefkühlabteilung schnappen, dann zweimal Spinat, einmal Feta, einmal Nudeln, und raus hier. Du kennst den Plan, lass dich nicht aufhalten, bewege dich schnell und leise und verschwinde wieder. Ah, der Feta ist im Angebot, wunderbar, dafür gibts ein Snickers an der Kasse.

"Hallo, Sie?"

"..."

"Können Sie mir bitte helfen, ich komm nicht an das Creme fraiche , ich bin so klein, aber Sie sind groß."

"Ich, äh...ja, wie viele denn?"

"Zwei, zwei reichen vollkommen, vielen Dank."

"Hier, bitte."

"Gott schütze Sie."

"..."

OMG, du bist sowas von ein Held. Bitte sag nie wieder OMG, auch nicht bei...nein, einfach nie wieder. Ok, versprochen und jetzt raus hier, schnell.

Du hast es geschafft, sei stolz auf di....du dummes Stück, du hast den Müll vergessen. Du bist ein Nichts, wertlos, sie dich an, du...und wehe, du schreibst diesen Müll auch noch auf.
Wir sehen uns morgen, du Held.

Oh nein!

Oh nein, schon wieder jemand, der sich darüber beschwert, dass "alle" etwas tun und wissen, was sie mit ihrem Dasein in dieser Misere anstellen sollen. "Wir sind schon so lange zusammen, ich glaube wir heir..", will ich gar nicht wissen, ok, lass es einfach. "Wir suchen schon einen Namen, was hältst du von..", Altaa, es ist mir...ach, nenn es doch wie du willst. "Was ist eigentlich mit dir, du bist jetzt auch schon..", komm, bitte, weiß ich selbst. "Sag mal, du und diese, wie ist nochmal ihr Name?", ja, genau, wenn ich das noch wüsste. Wie es weiter gehen soll? Muss es das, ja? Zwangsweise, vermutlich und sowieso, mach mal deine Jalousien hoch und die Fenster auf, du bist erwachsen und es stinkt. Meine Güte, andere haben auch Probleme, andere haben nicht mal Wasser, stell dir das mal vor, du privilegiertes Depressionsmonster. Und jetzt stell dich vor den Spiegel und streichel deinen Bauch, du bist...du bist...ach, morgen vielleicht

Wer hat die Leber bestellt?

Meine Lieblingsbeschäftigung besteht darin, nur mit einem T-Shirt bekleidet, im Bett zu liegen und mir die Sendung Border Control Australia anzusehen. Ich fiebere jedes Mal mit, ob in dem unauffälligen, gepolsterten Oberteil des Mannes, Drogen versteckt wurden oder nicht. Ich liebe es wenn der Beamte wieder einmal seiner Intuition folgt, sich am Schnauzer kratzt und mit einem gnadenlosen You got busted-Blick über seine Brille sieht und sagt: "Wir werden jetzt eine Körperkontrolle durchführen und ein Kollege wird hierfür Ihren Körper abtasten." Ich überlege mir dann immer die absurdesten Möglichkeiten, wie ich denn Drogen schmuggeln würde aber bisher wurde alles schon mal gezeigt. Was soll's, Drogen nehmen hab ich bis jetzt sowieso meistens bereut und man wird ja älter und verträgt nichts mehr. Fast wollte ich letztens zu ein paar jugendlich aussehenden Erwachsenen hingehen und sagen, dass das Pulver welches sie sich da gerade auf ihrem Handydisplay in Linien legen, gar nicht gut für sie sei, doch bevor ich etwas sagen konnte, lehnte ich dankend ab, und beschloss mich stattdessen  ernsthaft zu betrinken. Der gute, aufrichtige, durch Staat, Medien und Gesellschaft anerkannte Rausch, nur echt mit Kippe im Mundwinkel, liegt mir einfach mehr, als 30 Stunden auf meinem Zahnfleisch zu kauen. Wir sehen uns dann spätestens im Krankenhaus wieder, wenn es heißt: Wer hat die Leber bestellt?

Du musst die Hände ausstrecken.

Kann sich noch jemand an die Kinder erinnern, die im Sportunterricht immer hochmotiviert zeigen wollten  wie schnell sie rennen, weit sie springen oder werfen können? Ich war keiner von denen. Sie gaben mir aber Tipps, wie man schneller rennen konnte, "auf Turbo schalten", wie sie es nannten. Ich solle einfach während dem rennen, anstatt mit geballten Fäusten, die Hände austrecken, als würde man sich die Hand reichen, die Arme, leicht gebeugt, am Körper lassen und gleichmässig vor und zurück schwingen. So würde man den Luftwiderstand verringern und, "wie ein Hai im Wasser", durch die Luft schneiden. Ich nickte, lief die zweitschlechteste Zeit und freute mich auf die Pause, kalten Kakao und Käsestange. Auf dem Schulhof gab es nicht viele Möglichkeiten seinen Peinigern aus dem Weg zu gehen, es sei denn, man konnte sich gut verstecken und oder schneller rennen. Ich freute mich so sehr auf Kakao und Käsestange, dass ich mir vornahm der schnellste am Pausenverkauf zu sein und mich den Rest der Pause zu verstecken. Sobald die Schulglocke ertönte, rannte ich los, streckte meine Hände aus, ließ meine Arme am Körper und schwang sie gleichmäßig vor und zurück. Ich konnte den Wind spüren, wie er sich links und rechts an Mittelfinger und Nasenspitze teilte und ich durch die Luft schnitt, als sei ich ein Hai im Wasser, genau wie sie sagten. Es funktionierte tatsächlich. Ich war einer der Ersten, kaufte Kakao und Käsestange und versteckte mich in der Ecke bei den Büschen, die im Sommer,von beiden Seiten, über das Tor des Hinterausgangs wuchsen und deshalb schwer einzusehen war. An diesem Tag hatte die Klasse meiner Peiniger zwei Stunden später Schulbeginn und wie ich feststellen sollte, trafen sie sich am Hintereingang um Zigaretten zu rauchen. Ich wünschte mir, sie mit einem weitaufgerissenen Maul, zu verschlucken und in den Tiefen des Ozeans zu verschwinden. Stattdessen lag ich mit dem Gesicht auf dem Boden, rang nach Luft und zappelte mit den Armen, als wären es Flossen. Der Kakao bildete eine Pfütze neben meinem Kopf und rann langsam auf mich zu. Ich war nie mehr Erster, streckte nie mehr die Hände aber ballte sie zu Fäusten, wann immer ich musste.

The person you have called is temporary not available.

Meine Klingel ist ständig aus und mein Telefon stumm. Ich brauche viel Zeit für mich. Ich zähle täglich zwei Stunden die Haare, die ich verliere und ordne sie von Braun nach weniger Braun zu Grau oder versuche mich für einen Fuß zu entscheiden, um endlich auf die Toilette gehen zu können. Im Laufe des Tages fällt mir dann ein, dass ich darüber schreiben könnte und halte mich mit Schreiben vom Schreiben ab (natürlich muss auch ich ein Buch schreiben, logisch). Ich weiß nicht was Eskapismus bedeutet, aber Leute sagen mir ich sei auf dem richtigen Weg. Also gehe ich los, kaufe mir ein Päckchen Brause, Zigaretten, Wodka und lege mich auf eine Bank in den Park, bis jemand fragt, ob hier noch frei ist und gehe wieder nach Hause. Das Leben verwirrt mich und manchmal bekomme ich Angst. Bis morgen dann, ok?

Ich liebe den Frühling.

Manchmal, wenn ich gute Laune habe, die Sonne scheint und das Grün der Bäume, so frisch ist, dass es fast von den Blättern tropft, gehe ich in den Park und versuche mit frisch verliebten Pärchen ins Gespräch zu kommen.
Ich frage sie höflich, ob sie die Uhrzeit hätten und während sie ihre Handys suchen oder auf ihre Uhren sehen, sage ich schnell so Sachen wie: "Ihr beide habt wirklich eine tolle Energie, ihr wirkt so entspannt und gelassen, es war bestimmt Liebe auf den ersten Blick, ich wünsche euch alles Gute und hoffe wirklich, das mit euch hält noch ein Weilchen." Dann dreh ich mich um und laufe weiter. Aber wenn ich ganz viel Glück habe, antwortet man mir mit: "Wie meinen Sie das, noch ein Weilchen?" Dann bleibe ich stehen, dreh mich langsam wieder zurück und sage: "Ach, wisst ihr, ihr seid so ein schönes Pärchen, es ist immer so traurig, wenn man denkt, man hat seinen Seelenverwandten gefunden und dann stellt sich heraus, dass er es nicht ist. Das ist so tragisch, wisst ihr, da kann man sich nämlich nie sicher sein, auch nicht nach Jahren. Ihr müsst wissen, die Zeit, ist nie auf eurer Seite. Es passiert nicht selten, dass Menschen eines Tages aufwachen und ihr ganzes Leben bereuen. Und dann denken sie nach, und sie erinnern sich an damals, als sie so verliebt mit ihrem Schatz im Park auf einer Decke saßen und die Welt hätte untergehen können, solange sie nur zusammen sind. Aber ihr Leben verlief ganz anders als sie es sich erhofft hatten. Und sie zweifeln an allem und bereuen es, sich damals nicht doch für jemand anderen entschieden zu haben. Sie sitzen in ihren Betten und realisieren, dass sie vielleicht noch zehn gute Jahre haben, bevor das Leben anfängt weh zu tun und, dass sie, wenn sie noch einmal leben wollen, handeln müssen. Darauf folgt dann meistens die Scheidung und beide sterben, nach jahrelanger Routine, einsam und alleine, in ihren kleinen 1-Zimmer-Apartments an einer Überdosis Schmerz. Aber euch beiden wird das nicht passieren, da bin ich mir sicher, wirklich." Dann sehe ich ihnen in die Augen und dann sehen sie sich in die Augen und dann schließe ich meine und drehe meinen Kopf ins Sonnenlicht, lächle und geh.

Aber genug jetzt davon, so oft kommt es ja nicht vor, dass ich gute Laune habe und außerdem, muss ich jetzt die Seelen kleiner...äh , ich meine, meine Katze füttern, also, einen schönen Freitag euch, ihr lieben.Wenn

Entschuldige bitte!

Alexander war viel größer und vermutlich auch schöner als ich. Erst ging er eine Woche mit Andrea und dann eine Woche mit Marie, immer abwechselnd. Soll er doch, dacht ich mir, solange er seine langen knöchernen Finger von Jana lassen würde. Jana und Weingummis in Form von Cola-Flaschen war alles an was ich in dieser aufregenden Zeit denken konnte und rein zufällig, stand Jana auch auf Weingummis in Form von Cola-Flaschen. Ich liebte ihr dabei zuzusehen wie sie auf ihnen herumkaute und ihr Schmatzen war für mich reinste Befriedigung. Selbstverständlich würdigte sie mich keines Blickes, vermutlich wusste sie nicht einmal meinen Namen. Ich war schon immer der klassische Außenseitertyp, der maximal einen Kumpel hatte, der der einzige Grund war, warum ich beim Sportunterricht nicht als letzter gewählt wurde.
Auf den Trägern ihres Rucksacks standen, mit weißem Edding geschrieben, Buchstabenfolgen wie H.D.G.D.L und sie zeichnete Diddl-Mäuse auf dem dazu passenden Papier, die sie dann mit ihren Freundinnen tauschte. Einmal kaufte ich von meinem Taschengeld einen Bleistift mit Diddl-Maus-Aufdruck, der am Ende einen Radiergummi hatte, der nach Erdbeere roch.
Ich legte ihn ihr auf den Tisch, als ich der letzte war, der zur Pause das Klassenzimmer verließ und freute mich auf ihre Reaktion. Als dann die Pause vorüber war und sie den Stift auf ihrem Platz fand, zeigte sie ihn sofort ihrer Freundin, sah zu Alexander und fing an zu tuscheln. Alles verlief also genau nach Plan, wie immer.
Im Klassenzimmer saß ich ihr schräg gegenüber, da unsere Tische in Form eines Hufeisens aufgestellt waren, aber es gab einfach keinen Grund für sie je in meine Richtung zu sehen, es sei denn, Alexander, der zwei Tische neben mir saß, machte wieder eine von seinen superlustigen Bemerkungen, die natürlich wieder die gesamte Klasse in lautes Gelächter ausbrechen ließ. Ich hasste ihn. Es war, als würde das Hufeisen an der Stelle, wo mein Kumpel und ich saßen, ein Loch haben. Egal von welcher Seite Arbeitsblätter durchgegeben wurden, wir bekamen sie stets als letzte. Meine Versuche ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen scheiterten kläglich und ein paar Wochen später sah ich sie händchenhaltend mit Alexander über den Pausenhof flanieren. Sie schrieben sich kleine Zettelchen während des Unterrichts, die sie natürlich mit dem Bleistift schrieb, den ich für sie gekauft hatte, aber diesmal schien das Loch für die Weitergabe für einen kurzen Moment aufzuhören zu existieren, und fing an Teil eines streng geheimen Übermittlungssystems zu sein. Alles was ich noch tun musste, war den richtigen Moment abzuwarten. Als ich es schließlich schaffte, einen der Briefchen zu öffnen, radierte ich vorsichtig die Drei hinter der Eins weg und schrieb dafür eine Fünf. Mädchen hassten es wenn man sie versetzt. Lieber Alexander, hiermit entschuldige ich mich aufrichtig für mein Verhalten, und falls du das hier liest, ÄTSCHI BÄTSCH.

Fell in Love with your Arbeitsvermittler ♡

"Na, Herr Lenthe, wie geht es Ihnen nach diesen drei Monaten, haben Sie endlich verstanden, dass Sie niemals gewinnen können? Sie können es gerne versuchen, wieder und wieder, aber merken Sie sich bitte eins, an uns, haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen, und die sahen um einiges gesünder aus als Sie."

"Drei Monate? Wow, wie die Zeit vergeht. Ich hab die ganze Zeit geschlafen, dabei wollt ich so sehr leiden. Ich hatte mir einen Leid-Kalender gebastelt, extra für Sie. An jedem Tag,  wären meine Mundwinkel immer ein Stückchen weiter gesunken, dann hätte ich ein Foto von mir gemacht und Ihnen per E-Mail geschickt, damit Sie es sich jeden Morgen ansehen können, und sagen: "Geil, dem hab ich's wieder gezeigt, wie er leidet, diese Verschwendung von Steuergeldern an diesen Ausgestoßenen, pah,Abschaum! Bald sind seine Mundwinkel ganz unten, dann hab ich ihn soweit, ooohh ja, dann hab ich ihn so weit, das wird ein Fest." Das wäre sehr schön gewesen, glauben Sie mir, ich hätte es Ihnen wirklich gegönnt, ich möchte, dass es Ihnen gut geht. Ich weiß ja wie schrecklich es sein muss, jeden Tag in diesem kleinen Büro zu sitzen, wenn selbst Ihre Zimmerpflanze Ihnen nicht mehr zuhören mag. Da hilft auch kein Wasser, kein Licht, sie lassen alle die Blätter fallen. Und diese Kollegen erst, schrecklich. Sie haben Angst, ich weiß es, ich weiß wie Angst duftet. In der großen Pause sitzen Sie dann immer alleine, und obwohl niemand etwas sagt, haben Sie doch immer das Gefühl, dass über Sie getuschelt wird. Wenn Sie an einem heißen Sommertag wieder total verschwitzt die Treppen hinauf stürzen, um der Erste am Kaffeautomat zu sein, und wenn Ihnen dann noch der Hemdzipfel ganz locker aus der Hose lugt, dann ist sowieso wieder alles zu spät. Also, das nächste Mal, wenn Sie mich mit
 612€ im Monat leiden sehen wollen, geben Sie mir bitte etwas Vorbereitungszeit, ich möchte mich Ihnen mit aller Hingabe, Kraft und Lebenszeit widmen dürfen, es soll sich ja lohnen, für Sie, und für mich. Ich liebe Sie, ich liebe Sie wirklich."

Es könnte so einfach sein..

So, bald ist die Zeit des unverschuldeten Strafhungerns und Geldleihens vorbei und ich darf wieder voll und ganz dem glitzernden Leben, ausschweifenden Fressorgien und exzessiven  Rauscheskapaden frönen. Hach, es könnte so einfach sein, sagen sie, aber ich glaube kein Wort, das sich über ihre keksbekrümmelten Lippen schleppt. Wenn ich mir nur Kekse hätte leisten können, sähe die Sache vielleicht anders aus. Doch aus irgendeinem Grund trauen sie dir und deinem mittlerweilen verkrüppelten Körper nicht und sanktionieren dich für drei Monate. Es reicht ja nicht, dass man sich den Körper kaputt schuftet, man soll sich dann bitte auch noch schnellstmöglich unter die nächste Veranda verkriechen und leise sterben. Nein, hab ich gesagt, noch bin ich ja hier und wenn ihr mir nicht glaubt, dann tun es bestimmt andere, Ärzte zum Beispiel und Menschen, die wissen wie es ist, wenn man ihnen nicht glaubt. Um das Glauben, geht es euch ja bekanntlich auch nicht, vielmehr geht es euch um  Behaupten und Widersprechen, immer wieder widersprechen, ja, das könnt ihr gut, damit versucht ihr uns müde und traurig zu machen. Ich weiß wovon ich rede, es klappt jedes Mal. Doch diesmal, wird es anders sein. Diesmal sammle ich all meine Tränen, meine Wut und meinen Hunger, und dann, und dann, dann fällt mir schon irgendwas ein. Es wird groß, richtig groß.

Sparen leicht gemacht:

Wenn es für ein Käsebrot nicht mehr reicht, weil man eine Woche gelebt hat, dann schlafe ich einfach für den Rest des Monats und begebe mich in einen Zustand völliger Bewusstlosigkeit und Leere. Vielleicht ist es ja besser dem Leben mit Zuckerstückchen bespickter Naivität zu begegnen, als sich darüber Gedanken zu machen, wie lange das so noch gut geht. Man benötigt schon einen gewisse masochistische Grundhaltung um nicht sofort aus dem Fenster zu springen. Genieße den Schmerz, genieße das Leid, sie sind dir gute Gefährten. Sie bleiben bei dir auf dem Weg vom Bett zur Toilette und passen gut zwischen Brustkorb und Schädel. Ich liebe euch!

Dann bist du wieder du.

Und dann, ganz plötzlich, denkst du dir, ok, heute ich ziehe ich mal dieses schicke, weinrote Jacket an, das seit 5 Jahren auf der Kleiderstange hängt, und du sitzt Tucholsky lesend, mit Dosenpils und Fluppe im Mundwinkel, extrem cool am Vorplatz des Germanischen Nationalmuseums, und eine Mutter fragt dich, ob du ein paar Minuten auf ihre Tochter aufpassen kannst, sie müsse nur kurz in das Geschäft auf der anderen Straßenseite, und für einen kurzen Moment versuchst du heraus zu finden, ob du noch an physikalische Gesetze gebunden bist, schließt die Augen, um dich an einem schönen Gedanken festzuhalten, doch nichts passiert, und du stehst noch immer mit beiden Beinen auf dem Boden, und dann drückst du die Fluppe aus und stellst das Pils beiseite, und  wirst von einem unheimlichen, fremdartigen Gefühl überwältigt, das du vielleicht als Verantwortung interpretieren möchtest, und du siehst ihrer Tochter zu, wie sie am Wasserspiel spielt, und bist bereit sie gegen die ganze Welt zu verteidigen, und dann kommt ihre Mutter wieder, bedankt sich bei dir, und du ziehst die nächste Fluppe aus der Schachtel, greifst nach dem Pils und Tucholsky, und dann, bist du wieder du, und du denkst, ok, es ist, wie es ist.

Jetzt wissen es alle!

Ok, gut, ich hab mich heute noch nicht geduscht, aber dieser Gestank, dieser aufdringliche Gestank kann einfach nicht von mir kommen, das ist unmöglich, es sei denn, ich hätte mir vor zwei Wochen zwei tote Tauben unter die Arme gebunden. Die Frau vor mir stellt sich vor ihren Einkaufswagen, so, dass er zwischen uns steht und sieht mich immer wieder an. NEIN, ich bin das nicht gute Frau! MEINE GÜTE, WAS FÜR EIN GESTANK. Hinter mir ein Typ. Naja, Männer können die widerlichsten Wesen sein die es gibt, ich weiß das, aber in der Einkaufsschlange flatulieren, mh, auszuschließen ist es nicht. Jetzt riechen es alle und alle sehen sich um. Sie versuchen die Quelle des Gestanks auszumachen und sind damit beschäftigt vorwurfsvoller als die andern zu kucken. Jeder ist verdächtig, jeder.
Das Gesicht der Kassiererin verzieht sich in immer kürzer werdenden Abständen, die Frau vor mir versucht immer mehr Abstand zu gewinnen und der Gestank wird auch immer schlimmer. Ich bin an der Reihe. Es ist kaum noch zu ertragen und die Kassiererin atmet nur noch durch den Mund. Es fällt ihr spürbar  schwer die Artikel über die Kasse zu ziehen ohne sich dabei zu erbrechen.  Ich bezahle, unsre Blicke treffen sich, es ist qualvoll, nicht auszuhalten. Ich sehe nach links zur Nebenkasse. Eine junge Mutter ist sichtlich gestresst. Hektisch verstaut sie ihre Einkäufe in dem Netz des Kinderwagens, während ihr Kind schreit als wüsste es, was es bedeutet am Leben zu sein. Die Quelle des Gestanks, ganz sicher. Das Leben stinkt, und jetzt wissen es alle

Viel Glück, du wirst es brauchen.

Ok, natürlich hat man mit einem gewissen Alkoholpegel die Möglichkeit sich Dinge einzureden über die man nüchtern nicht einmal nachdenken würde, aber wenn du nach deinem vierten Gin Tonic,  wirklich denkst, dass du nur in den Club gehen brauchst, wenn du Lust auf Sex hast, wie damals, als du 23 warst, dann irrst du dich gewaltig. Die Zeiten sind vorbei, sieh dich mal an, du bist jetzt 33 und siehst genauso aus wie du dich fühlst. Nicht nur, dass du morgen früh zweimal sterben musst ehe du dich an deinen Namen erinnern und auf die Toilette gehen kannst, nein, auch deine Versuche jemanden kennenzulernen zaubern längst kein Lächeln mehr auf die Gesichter der Frauen, und überhaupt, kannst du froh sein, wenn du noch wahrgenommen wirst. Alles hat sich verändert, denkst du, dabei bist du es, der sich verändert hat. Siehst du das, genau da, wo der gutaussehende Kerl, diese gutaussehende Frau küsst, genau da, standest du auch mal. Damals, als du diesen verruchten Heroin-Chic hattest, und du jede Frau haben konntest die du wolltest, sogar wenn sie mit jemanden zusammen war, und sie gemeinsam auf deine WG-Party kamen und du sie im Badezimmer gevögelt hast, während sich ihr Freund mit billigem Wodka betrank. Jetzt hängt die Plautze über den Hosenbund und du lockerst ein wenig die Gürtelschnalle bevor du dich hinsetzt, du weißt schon, wegen den Druckstellen und so. Ja ja, du könntest ja noch wenn du wolltest, ein bisschen Sport, ein bisschen weniger hiervon, ein bisschen mehr davon und alles....Schwachsinn, das willst du seit Jahren. Die Frauen in deinem Alter sind verheiratet und haben Kinder, haben Karriere, oder sind seit Jahren in einer Beziehung, oder haben keine Lust auf Beziehung, oder auf dich, oder wollen einfach nur Freunde sein. Aber du musst jetzt nicht traurig sein, bitte, du bist ja nicht alleine, du hast...naja, du....also zumindest geht es anderen Menschen genauso, und wenn nur eine Frau dabei ist, die genauso kap..ich meine, besonders ist, wie du, dann wirst auch du...ach, du weißt schon was ich meine. Jedenfalls, viel Glück.

Dienstag, 4. Juni 2019

Der Heizungstyp und Stromableser zählen nicht.

Es macht überhaupt nichts eine Aversion gegen das Abwaschen zu haben, und es macht erst Recht nichts einen Teller auf den Boden zu stellen, ein Brötchen zu essen, über  den Teller zu stolpern und alle Krümel in der Wohnung zu verteilen, weil du meistens nackt, und deshalb barfuß bist. Du kannst den Teller auch einige Male wieder verwenden ohne ihn abzuspülen, das härtet ab, und ist gut für dein Immunsystem, aufpassen solltest du aber, wenn dein Verhalten phobieähnliche Züge annimmt. Es könnte passieren, dass du sämtliches Geschirr und Besteck verwendest, und dein Interesse daran weniger ist, als für Werbeprospekte namhafter Möbelhäuser, die es, trotz deines neuen Reklame-Nein-Danke-Schildes, doch immer irgendwie wieder schaffen in deinem Briefkasten zu landen. Würden sie dir wenigstens neue Teller und ab und an eine Gabel einwerfen, könntest du darüber hinwegsehen, aber so, stapelt sich seit Wochen der Abwasch und es wird immer schwieriger ihn zu ignorieren. Nicht selten kam es vor, dass nach Jahren des konsequenten Sträubens, Geschirr und Besteck lebendig wurden, und sich zu einer unaufhaltsamen Allianz zusammenschlossen, die ihre Besitzer im Schlaf in kleine Häppchen schnitten. Wenn du also nicht vor hast auf diese Art und Weise zu sterben und vielleicht wirklich mal Besuch bekommen willst, der länger bleibt als nötig, der Heizungstyp und Stromableser zählen nicht, dann entscheide dich einfach für die klassische Variante. Besorge dir ein paar Gummihandschuhe, Spülmittel, falls nötig Atemschutz und lege dein Geschirr und Besteck in die Badewanne. Spüle nun mit heißem Wasser zuerst sämtliches Leben weg, gib dann 4-5 Esslöffel Spülmittel deiner Wahl hinzu, vergiss nicht den Stöpsel und lasse die Wanne, ebenfalls mit heißem Wasser, bis zu Hälfte voll, so, dass alles unter einer schönen, weißen, Schaumdecke bedeckt ist. Warte eine dreiviertel Stunde, ziehe den Stöpsel und spüle mit klarem Wasser nach. Gegebenfalls kann es erforderlich sein, hier und da, noch etwas Hand anzulegen. Stelle dir dabei einfach das Gesicht des Menschen vor, der zu Besuch kommt und dich für dein sauberes Geschirr bewundert und wieder anfängt sich für dich zu interessieren. Vielleicht entdeckst du so den Wert deiner Arbeit und siehst über verkrustete Essensreste hinweg. Falls du es geschafft haben solltest, ohne Sinnkrise, alles sauber zu bekommen, freue dich auf die nächsten Wochen, bis es wieder heißt: "Sorry, aber ich habe heute schon etwas anderes vor." oder, "Gehen wir doch zu mir, da ist es gemütlicher!".