Montag, 21. Oktober 2019

Très Chick!

Ich werde ja selbst seit Jahren als Model und Stilikone klassischer Prêt-à-porter Mode gehasst und geliebt. Wenn ich zum Beispiel Sachen, die ich auf dem Boden finde, mit solchen kombiniere, die schichtweise über der Stuhllehne hängen, kann es schon mal passieren, dass ich Sandalen und kurze Hose zu Winterjacke und Mütze trage, zumindest, wenn ich einen Tag erwische an dem sich das Wetter und ich uneins sind, oder, ich seit drei Wochen vergessen habe zu waschen. Böse Zungen behaupten ich zöge mich an wie ein Obdachloser, doch ich würde sagen, dass ich auf gekonnte Art mit den Jahreszeiten spiele.  Als Accessoire trage ich natürlich immer eines meiner bezaubernden Lächeln, das grundsätzlich auf den jeweiligen Schmutzgrad des Jutebeutels abgestimmt ist. Das Highlight ist aber immer, wenn ich mich auf dem 250m langen Laufsteg von der Haustüre bis zum Netto präsentiere, und mich an der einzigen Ampel, in der Mitte der Straße, einmal kurz um mich selbst drehe, während es bereits rot geworden ist. Das garantiert ungeteilte Aufmerksamkeit und sensibilisiert die Menschen für neuaufkommende Trends für die nächste Saison. Schlimm wird es meistens, wenn ich anderen Trendsettern begegne, wie zum Beispiel Sixpack-Jürgen, der seit Jahren den selben Trainingsanzug trägt, die Jacke nicht mehr über den Bierbauch bekommt und täglich zwei Sixpacks kauft. Nicht gerade innovativ, aber dafür konsequent seiner Linie treu, weswegen wir uns auch selten in die Quere kommen. Rucksack-Andi hingegen muss ständig im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen, und verlässt niemals den Laden ohne wenigstens einmal rumgeschrien zu haben, oder etwas zu Bruch gegangen ist. Er legt all seinen Fokus auf seinen Rucksack, den er liebevoll mit allerlei Ansteckern und Aufnähern aufgepeppt hat, die er je nach Belieben und Stimmung auswechseln kann. Seine Besonderheit ist die Weise, wie er seinen Rucksack trägt. Da er seit Jahren unangefochtener Spitzenreiter im Beim-Ladendiebstahl-Erwischtwerden ist, erkennt man an seiner Haltung das ungefähre Gewicht des Inhaltes und vergleicht dies mit den zwei Kräuterschnäpsen, die er auf das Band gelegt hat. Manchmal erlaubt er sich einen Spaß, indem er einen leeren Karton in den Rucksack packt, und an der Kasse darauf wartet, dass die Kassiererin ihn darum bittet ihn zu öffnen. Dieser Stil gehört zweifellos zu den gewagtesten, wird es aber weiterhin sehr schwer haben, sich langfristig als massentauglich durchzusetzen. Abschießend lässt sich feststellen, dass sich ein Mix aus all diesen Stilen auf den Straßen durchgesetzt hat  und weiter tun wird, es ohne uns, aber nie dazu gekommen wäre. Echtes Bewusstsein für Stil und Ästhetik färbt eben immer ein bisschen auf den Pöbel ab.

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