Montag, 13. Januar 2020

Wie ich bei einem Besuch der Arbeitsagentur mit dem Leben davon kam.

Als sähen die grauen Wände und Stühle im Wartebereich nicht einladend genug aus, wurden die langen, dunklen Gänge auch noch so konzipiert, um sich gerade so, aneinander vorbeiwälzen zu können. Als wäre ich dazu in der Lage, mit den Taschen voller Schwermut, pirouettenhafte Ausweichmanöver zu vollführen, während eine Armada aktentragender Beamter, im Stechschritt, ohne Rücksicht, an mir vorbei marschiert. Da bleibt einem doch nichts anderes übrig, als mit dem Gesicht an der Wand entlang zu schlürfen und dabei eine Spur aus Speichel und Angstschweiß zu hinterlassen. Zum Glück, waren es nur ein paar Meter, ehe mein Mund trocken wurde und ich mir völllig dehydriert, die Mundwinkel an dem scharfkantigen Alurahmen aufreißen konnte, in dem ein riesenhafter Fluchtplan gerahmt war.
Überall waren die Stellen markiert, an denen vermutlich, strategisch-optimal, Feuerlöscher zu finden waren. Als ich mir vorstellte, wie ein Feuer ausbricht und sich alle reflexartig in das wertvollste verkrallen, das sie haben und dann, mit all ihren Akten unter den Armen und auf ihren Köpfen balancierend, versuchen würden zu fliehen und oder, so schnell als möglich einen Feuerlöscher zu ergattern, spürte ich sofort wieder dieses Gefühl, etwas links, unterhalb meines Herzens, das mir sagte: "Los, spring aus dem Fenster, öffne es, spring so weit, wie du noch nie gesprungen bist, rette dich, rette dich in den Tod!" Wahrscheinlich, dienten die vielen, aber viel zu kleinen Feuerlöscher eher dazu, sich den Weg frei zu prügeln, als damit ernsthaft ein Feuer zu löschen. Der erste, der am Feuerlöscher war, würde überleben, so einfach wäre das. Schneller als in diesem Moment, würden sie nie wieder eine existenzsichernde Maßnahme ergreifen. Schließlich würde es hier um ihr eigenes Leben gehen, nicht um das vermeintlicher Kunden. Glücklicherweise, brach das Feuer nur im oberen Drittel meines Magens aus, welches sich in starkem Reflux bemerkbar machte, während ich auf die Gunst meines Sachbearbeiters wartete. Für heute, kam ich also nochmal mit dem Leben davon.

Sechs Pizzabaguettes

Vor dem Schaufenster. Sein Blick, als hätte er aufgehört zu altern. Als würde sich die Welt ohne ihn drehen. Und ein paar Schritte weiter, eine unüberwindbare Müdigkeit. Eine Müdigkeit, die so schwer auf seinen Lidern wiegt, dass es kein Schrecken mehr vermag sie je wieder zu öffnen. Der alte Armeeparka und die bunte Strickmütze, der schwere Gang, der weiße Bart. Ich habe drei Flaschen Wein gekauft und sechs Pizzabaguettes.

Du hast se ja nich alle!

"Also, jetzt pass ma auf Kollege. Wenn du ständig so wehleidig tust, davon ändert sich ja doch nix, verstehste? Du musst was tun! Die ganze Zeit nur in deiner Höhle vegetieren und träumen. Ich sag dir, das kann böse enden."

"Es ist eher ein langsames Verwesen und wehleidig, verbitte ich mir! Ich befinde mich gerade in einer Zeit des kreativen Prozesses und Selbstfindungsphase, ich brauche meine Ruhe. Ruhe und jeden Tag sechs Pizzabaguettes. Sechs Pizzabaguettes sind nämlich nicht gerade viel, wenn man regelmäßig zwei davon verbrennen lässt."

"Das kann ja alles sein. Der Herr Schriftsteller macht sich lang auf Staatskosten und hält sich dann noch für was Besseres, so kommste rüber. Da helfen dir auch keine Gedichte mehr, schnorren tuste ja trotzdem bei mir, geht dir der Sprit aus, vom Rauch ganz zu schweigen."

"Also, der Einzige, der sich hier ständig beschwert, bist du. Ich schreibe dir sofort ein Gedicht, danach geht es dir gleich besser und du lädst mich auf ein schönes Glas Wein ein, oder zwei. Aufgepasst!"

Knurrt des Dichters Magen
Dann denkt er nicht ans Reim'

Doch hat er grad gefressen
Dann fällt ihm einer ein

Auch getrunken muss er haben
Natürlich nur vom guten Wein

Und ist's nur warmes Bier
Dann bleibt er gleich daheim

Drum freu dich lieber Freund
Kannst du ihm Speis und Trank verwehren?

Nennst du ein' Dichter deinen Freund
Wird man dich stets verehren

"DU HAST 'SE JA NICH ALLE! Komm jetzt, ich hab Durst!"

Sei ein Mann?!

Ich weiß nicht woran es liegt, aber ich bin in letzter Zeit dermaßen sentimental, dass ich nur ein wenig traurige Musik, am besten ein Klavierstück in D-Moll, oder eine herzzerreißende Szene in einem Buch oder Film brauche, und sofort beginne ich zu weinen. Es ist schrecklich. An meinen Ärmeln bilden sich bereits Salzkrusten. Dabei möchte ich doch nur genauso männlich sein, wie meine Vorbilder Harry Wijnvoord und Rudi Carell. Seit Jahren träume ich von meiner eigenen Show, die ich mit einem bunten Paillettenjacket moderiere und sogar einen eigenen Song habe, in dem mein Name vorkommt. Aber ich schweife ab. Vielleicht sollte ich vier Wochen in den Wald gehen und nur mit einem Kompass versuchen zu überleben, damit aus mir wieder ein richtiger Mann wird, so mit Schlieren an den Händen und ganz vielen Haaren überall. Einer, der dem Ruf der Wildnis folgt und nicht daheim sitzt und Gedichte schreibt. Womöglich klappt es dann endlich wieder mit der Liebe, wenn die Frauen meine neu entdeckte animalische Seite kennenlernen und ich es schaffe Baumstämme auf den Schultern zu tragen. Oder ich verzichte erstmal auf meine Kuschelsocken und drehe die Heizung nur noch auf zwei anstatt auf vier.

Hungrig?

Da mich jedes mal, nachdem ich den Entschluss gefasst habe mit Dingen aufzuhören, oder zumindest eine Zeit lang auf sie zu verzichten, die, als allgemein nachgewiesen, schlecht für die Gesundheit sind, die Absurdität des Lebens überfällt, an einen Stuhl fesselt und zwingt weiter zu machen, werde ich wohl in den Genuss eines frühen Todes kommen. Wenn ich es aber selbst im nüchternen Zustand schaffe einzuschlafen, während die letzten Pizzabaguettes hilflos im Ofen verbrennen, dann ist das weder die Schuld etwaiger Spätfolgen verkommener Existenz, sondern ganz allein meine. 2020 Stay Hungry🍕

1.1.20

Als mich gestern Nacht der Taxifahrer 100m vor meinem Haus hat absetzen müssen, weil es ein paar Häuser weiter gebrannt hatte und die Straße gesperrt war, war ich so emotional, betrunken und froh, dass es nicht bei mir brannte, dass ich einen Feuerwehrmann umarmte und ihm sagte, dass ich froh bin, dass es ihn gibt. Ich glaube, die Polizistin hat sich eine Träne verdrückt. Natürlich konnte auch keine Straßenbahn fahren und nachdem ich einen kurzen aber amüsanten Plausch mit dem Straßenbahnfahrer hatte, der auf der Straße stand und sich mit einem Herren unterhielt, schenkte ich ihm eine Flasche Sekt, die ich noch im Jutebeutel dabei hatte. Ich weiß auch nicht, muss wohl am Alkohol gelegen haben. Heute morgen habe ich dann den Rest von 2019 erbrochen. Es roch nach Haselnussschnaps. Happy New Year😌