Mittwoch, 18. Dezember 2019

3,50€ kein Problem

Du willst nicht da raus, doch du bist seit sieben Stunden hungrig. Alles an diesem Tag lässt dich daran zweifeln, dass es morgen besser wird oder zumindest irgendwann und du wartest nochmal zwei Stunden, bis du es endlich schaffst aufzustehen. Das Kleingeld reicht für heute, 3,50€, kein Problem. Denk daran: schnell rein, schnell wieder raus. Vermeide Blickkontakt, schau nur auf deinen Weg. Du kommst nicht von hier, du kennst niemanden und niemand kennt dich, keine Konversation, das Wetter spielt keine Rolle. Du stehst an der Tür, du zögerst, dein Puls steigt, aber der Gedanke an Spiegeleier gibt dir die Kraft, die du brauchst, um die Türklinke nach unten zu drücken. Fahrstuhl, Haustüre, an der Ampel warten, alles läuft plötzlich wie von selbst. Dein Lieblingsnetto ist für dich da. Zwei Kassen haben geöffnet. An einer davon sitzt die wunderschöne Kassiererin, mit der du das letzte Mal ungefähr eintausend Blicke gewechselt hast. Du siehst scheiße aus, um nicht zu sagen beschissen. Du siehst sie nochmal an, sie ist immer noch schön. Ok, du musst dich beeilen, um dich noch an der anderen Kasse anstellen zu können. Wo sind die Eier, fragst du dich, während du dir die Frage schon etwas traurig selbst beantwortest. Du warst zu langsam. Du hast doch nicht tatsächlich wieder dem Glück vertraut? Tzz, Anfänger. Ok, bleib cool, aber nicht zu cool, sei einfach ganz normal und versuche nicht zu schwitzen. Wenn du willst, tu so, als würde dir tatsächlich jemand eine Nachricht schicken, du weißt doch noch wie das war, erinnere dich. Sechs Eier und Baguette, 3,53€. Du weißt, dass dir drei Cent fehlen und, dass das alles war, was du hattest. Du suchst trotzdem in allen Taschen. Sie sieht dich an. Dein Puls beginnt wieder zu steigen, du bist kurz davor zu hyperventilieren, es sieht aus, als wäre all dein Blut in deinem Kopf und es würde für immer dort bleiben. Du lässt das Baguette an der Kasse. Für die Stornofreigabe muss sie eine Kollegin rufen. Alle warten, sie sieht dich an, sie ist immer noch schön, sie wartet, du wartest, der Rest der Schlange wartet. Alle warten solange, bis ihre Kollegin kommt und eine zweite Kasse öffnet. Du hast jetzt jeden Grund dich umzubringen, geh nach Hause und tu es endlich, immerhin hast du die Eier ja noch. Du zahlst und gehst und willst für immer hungrig bleiben, nur, um dich selbst zu bestrafen. Sie ist immer noch schön und du bist immer noch hungrig.

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