Dienstag, 30. Juli 2019

Du bist groß, und schön.

Nur die Post holen, nur nachsehen, ob der Tag dir gehört, oder jemandem, den du nicht kennst. Dessen Name in der Kopfzeile des Schreibens steht, und dessen Gesicht du dir fies grinsend hinter einem altmodischen Computer aus den 90ern vorstellst. Mit vier verschiedenfarbigen Textmarkern, mit Kugelschreibern, Bleistiften mit Radiergummi, und stets griffbereiten Büroklammern auf dem Tisch. Mit einem kleinen Kalender in dem Tage wie "Tag des Baumes", oder "Tag des Lachens" eingetragen sind, während er dasitzt, und seine fettigen Hände über die Tastatur schmieren, und laut auflacht, wenn er die Wörter: Nachzahlung, Abgelehnt, und Sanktion, schreiben darf. Doch du hast Glück, der Briefkasten ist voller Reklame, und die kommenden 24 Stunden gehören nur dir. Du bist deswegen nicht glücklich, aber wenigstens nicht traurig, und das ist mehr, als du erwarten kannst. Du beschließt deshalb etwas Mark Twain im Stadtzentrum zu lesen, und gerade, als du dachtest, dass es nicht immer darum geht zu gewinnen, sondern meistens darum, nicht zu verlieren, macht dir deine alte, russische Nachbarin, mit den rotorange getönten Haaren, ein Kompliment, welches du erst absichtlich überhörst, dann aber nachfragst, und dich schließlich bedankst. So groß, und schön sollst du sein, und wenn sie jetzt 40 Jahre jünger wäre, dann, aber da verabschiedest du dich schon, lächelst, und wünscht ihr einen schönen Tag. Jetzt kann dich nichts mehr aufhalten, du bist groß, und schön, und wenn die Bank dir deinen Plastikbeutel voller Kupfermünzen wechselt, kannst du dir vielleicht ein Baguette, und eine Flasche Wein leisten.

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