Wie war das noch gleich mit der Relativität? Naja, egal. Das Einzige, was mir noch schwer fällt, ist diese anerzogene Freude auf das Wochende loszuwerden. Eine Freude auf ein imaginäres Ende eines imaginären Zyklus. Der Grundpfeiler unserer durchorganisierten Gesellschaft. Hurra. Für mich beschränken sich die Tage in ihrer Bedeutung, ob der Supermarkt geöffnet hat, oder nicht. Ihre Namen sind völlig unwichtig. Sich an einem bestimmten Tag, an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Uhrzeit zu treffen, ist für meine derzeitige Situation nicht nötig. Ich kenne niemanden und möchte niemanden kennenlernen. Natürlich gibt es ein bis zwei Ausnahmen, doch diese sind zumeist spontaner Natur, sodass ich, wenn ich möchte, ebenfalls spontan, mit angemessener Ablehnung reagieren kann. Wie dem auch sei. Die Tage scheinen sich in einer gleichmäßig vorüberziehenden Strömung aufzulösen. Sie verlieren ihre Festigkeit, das, was sie zu einem eigenständigen Individuum hat werden lassen. Ein Freitag zum Beispiel, könnte man durchaus als einen der stärksten Tage von allen bezeichnen, klingt in ihm doch das Wort "frei" mit. An diesem Tag befreien wir uns von den übrigen, bis uns die untergehende Sonne am Sonntag langsam suggeriert uns wieder mit dem abzufinden, was uns unweigerlich bevorsteht. Ich hingegen habe es beinahe geschafft, mich von dem Benennen der Zeit vollkommen zu lösen. Die Sonne geht auf, die Sonne geht unter, und dazwischen werde ich sterben. Doch vermutlich kommt alles ganz anders. Sobald es von mir erwartet wird, werde ich wieder den Sattel der Zeit besteigen, und um sieben Uhr morgens in irgendeinem heruntergekommenen Laden stehen, und dir sagen, in welchem Gang du den Gin findest, von dem sich zuhause die Flaschen stapeln. Hurra.
Uninteressantes aus dem Alltag/Ernsthaftes über das man lachen kann/Dinge, die jedem passieren können,oder nur mir.
Dienstag, 15. September 2020
Ocean Fresh
Es fällt mir schwer mich zu entscheiden. Es gibt gelbe, rosane, grüne und blaue Schwämme. Das Angebot ist riesig. Ob ich Ocean Fresh, Citrus Clean oder Classic Shine nehme, weiß ich noch nicht. Der Duft des Spülmittels ist mir bisher nicht aufgefallen. Ich spüle selten. Ich würde gerne irgendjemandem sagen, dass ich es hasse, aber es gibt niemanden, dem ich mich anvertrauen möchte. Ich möchte nicht einmal hier sein. Dann entscheide mich doch für den blauen Schwamm und Ocean Fresh, weil ich plötzlich an das Meer denke und an einsame Dünen. Ich bin mir sicher, dass die Menschen in der Werbeagentur genau das von mir erwartet hatten. Jetzt habe ich alles was ich brauche. Das Spülmittel sieht gut neben dem dreckigen Geschirr aus. Ich drapiere den Schwamm daneben. Ich habe noch etwas Brot und Käse und lege beides auf eine alte Zeitung. Ein Krimi im ersten Programm. Wiederholung. Aber das macht nichts.
Ein extragroßes Stück
Da ich nun schon seit sechzehn Stunden im Bett lag und außer, dass ich das Radio an und wieder aus, sowie lauter und leiser gestellt, nichts getan hatte, bis auf mir zwischenzeitlich ein großes Stück Salami abzuschneiden, auf dem ich gelangweilt herumkaute, beschloss ich den Rest des Tages ebenfalls nichts zu tun. Wenn ich es geschafft hätte im Schlaf zu sterben, wäre daran nichts verwerfliches gewesen. Im Gegenteil, man hätte mir das Stück Salami aus dem Rachen entfernt und mich wie jeden anderen leblosen Gegenstand aus der Wohnung getragen. Vermutlich hätten die Angestellten der Möbelspedition bei Kaffee und Zigarette genervt auf die Uhr gesehen, weil sich der Fahrer des städtischen Bestattungsunternehmens ausgerechnet an diesem Tag für einen Umweg entschied. Dann wäre alles ganz schnell gegangen. Sobald sich der Reißverschluss des Leichensackes über meinem Gesicht zugezogen hätte, wären die kläglichen Überreste meiner Existenz in einem großen, leeren LKW verschwunden, in dem noch mindestens zehn ähnliche Leben Platz gefunden hätten. Doch dann klingelte es an der Tür. Ich stand nicht sofort auf, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass ich zuhause sei, sondern setzte ein Fuß nach dem anderen auf den Boden, schlich mich zur Tür, und spähte durch den Türspion. Zu meiner Erleichterung war niemand zu sehen. Etwas Wichtiges konnte es ohnehin nicht gewesen sein. Für wichtige Dinge sind andere Leute zuständig. Leute, denen es nichts ausmacht sich mit wichtigen Dingen zu beschäftigen. Auf dem Weg zurück ins Bett schnitt ich mir noch ein extragroßes Stück Salami ab, damit ich bis zum nächsten Morgen keinen Grund mehr hatte, um aufzustehen. Dann schlief ich ein.
Wir waren alle hier
Die an den Paarungsruf des Kasuaren, ein großer flugunfähiger Vogel,dessen Verbreitungsgebiet sich hauptsächlich auf die Insel Neuguinea beschränkt, erinnernde Stimme der Kassiererin, war das Erste, was mich an diesem Tag dazu veranlasste, zwischen einem Atemzug für ein paar Sekunden die Luft anzuhalten, um sie in Form eines entnervten Stöhnens wieder auszuatmen. Das Zweite, war ein älterer Herr, der seine Maske stolz zwischen Unterlippe und Nase trug, sodass sie zumindest seinem Schnurrbart den nötigen Schutz vor Ansteckung bot, und der sich vor dem Bezahlen noch einmal kräftig in die Hand hustete. Die Frau, die ohne Abstand hinter mir stand und eine von diesen dünnen Tüten, mit denen es einem freisteht loses Obst und Gemüse in schickem Plastik zu verpacken, als improvisierte Maske trug, interessierte mich zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr. Wir waren alle hier. Gemeinsam gefangen in dem früher oder später endenen Kreislauf der modernen Nahrungsbeschaffung. Die Natur hat vermutlich den schwierigsten Job von allen, und ich befürchte, dass sie gerade viel zu viel mit sich selbst zu tun hat, als sich um den Menschen zu kümmern. Ich sehe das Projekt als gescheitert an und unterwerfe mich den Wirrungen des Lebens. Ich ging einen Schritt nach vorn, bezahlte kontaktlos und dann wieder nach Hause.
Vielleicht hab ich Glück
Um den ungebetenen Besuch ertragen zu können, begann ich zwei Stunden zuvor damit mich zu betrinken. Sicher, ich hätte auch absagen können, als ich die Gelegenheit dazu hatte, doch ich gab mich dem Gefühl hin, dem in einer Gesellschaft als erstrebenswert geltenden sozialen Kontakt, noch eine letzte Chance zu geben. Ein Fehler. Sobald die ersten Minuten vorüber und das Procedere des unausweichlichen Erzählens des Erlebten der letzten Wochen überstanden war, sah ich zum ersten Mal auf die Uhr. Nach etwa einer Stunde setzte mir der Alkohol zu und es wurde immer schwieriger Interesse zu heucheln. Schließlich stand ich auf und übergab mich im Badezimmer. Sofort ging es mir besser. Jetzt hatte ich einen nachvollziehbaren Grund, den Abend vorzeitig beenden zu müssen, und schloss die Tür, nicht ohne mich noch einmal zu entschuldigen und für nächstes Wochenende zu verabreden. Vielleicht habe ich Glück und breche mir ein Bein.
Camel&Wodka
Es war ernüchternd. Meine Beine trugen mich gerade so die letzte Steigung der Straße hinauf, aber es hätte mir auch nichts ausgemacht, auf der Hälfte der Strecke zu sterben. Es hatte nicht mehr als eineinhalb Stunden gebraucht, um meine anfängliche Euphorie in das zu verwandeln, was sie eigentlich war, Verzweiflung. Der Anblick ihrer Existenz widerte mich an. Während sie sich in den Schaufenstern spiegelten, vermied ich es ein Blick zu riskieren. Ich betrat den nächstgelegenen Supermarkt und kaufte ein Fläschchen Wodka und eine Schachtel Camel. Dinge, auf die man sich verlassen kann. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.
Mathis
Mathis und ich haben augenscheinlich nicht viel gemeinsam. Seine Eltern gaben ihm einen französischen Vornamen, obwohl beide deutsch waren. Vielleicht stand seine Mutter auf eine bestimmte Daily-Soap und hatte sich in die männliche Hauptrolle namens Mathis verliebt: einst vagabundierender Taugenichts und nun wiedergefundener Erbe eines Weinimperiums. Oder der Vater seines Vaters wurde im zweiten Weltkrieg, trotz aller Umstände, von einem französischen Soldaten mit dem Namen Mathis, vor dem sicheren Tod gerettet. Wer weiß das schon, irgendeinen Grund gab es bestimmt. Das seltsame ist, dass der Name wirklich zu ihm passt. Mathis bedeutet "Geschenk Gottes", und vielleicht ist er das. Er steht auf glänzende Dinge. Alles an ihm glänzt. Der Aufdruck seines T-Shirts, seine goldene Kette um den Hals, seine Uhr und selbst seine Schuhe. Ich hingegen sehe irgendwie verbrannt aus. Ich trage dasselbe schwarze Hemd wie immer, eine schwarze Hose und irgendwelche dunklen Schuhe. Ich möchte nicht auffallen. Die Dinge sind eben wie sie sind. Mathis und ich kennen uns schon eine Ewigkeit. Ab einem bestimmten Alter steht es einem zu das Wort Ewigkeit in Bezug auf Freundschaften zu verwenden, davor klingt es eher naiv, weil man sich noch nicht darüber im klaren ist, wie lange oder kurz zwanzig Jahre sein können. Die Krisen, die wir zu überwinden hatten und haben, haben uns das ein oder andere Mal auseinandergetrieben, aber wir haben uns nie wirklich aus den Augen verloren. Mathis ist vor zwei Tagen aus dem Gefängnis entlassen worden und hat sich einen durchaus beachtenswerten Körper antrainiert. Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich ihn in so guter Verfassung sehe. Seit meiner letzten Beziehung vor fünf Jahren habe ich mich, nun ja, etwas gehen lassen. Wenn man damit sagen möchte, dass ich ein paar Kilos zu viel habe. Was soll's. Er hält mir seinen Arm in typischer Kraftpose hin und sagt, ich solle seinen Bizeps anfassen und dann seine Brustmuskulatur auf Festigkeit überprüfen. Ich tue beides nur, um ihm einen Gefallen zu tun. Er hat es verdient sich zu freuen und ich freue mich mit ihm. Da er die meisten seiner Verbrechen unter dem Einfluss von bewusstseinserweiternden Substanzen und Alkohol beging, wohnt er vorübergehend in einem kleinen Zimmer innerhalb einer WG für Menschen mit Suchterkrankung. Er hat nicht viel, sagt er, "leichtes Gepäck", als wäre jedes Gramm mehr eine Belastung, womit ich ihm absolut zustimme, und dennoch, ich meine etwas Bedauern in seiner Stimme zu hören. Wir sitzen und reden so wie immer. So wie früher. Doch Mathis nimmt jetzt einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche und öffnet sich danach eine Dose Energy. Seine Dritte heute, sagt er. Dass mit dem Koffein und dem Zucker, sei eine Art der Suchtverlagerung, haben die Ärzte und Psychologen gesagt, aber das würde sich mit der Zeit wieder legen. Ich trinke und rauche, öffne mir innerhalb einer Stunde das dritte Bier. "Trink ruhig...", prostet er mir zu, "...mir macht das nichts. Ich darf sowieso nicht trinken, Pisstests und den ganzen Scheiß, verstehst du?". Ich verstehe.
Es ist einfach nur heiß
Der Morgen ist genau so, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Die Straßen sind noch nass vom nächtlichen Regen und es liegt eine Kühle in der Luft, die einen zwingt nach Monaten des Schwitzens wieder eine Jacke anzuziehen. Ich vermisse den Sommer nicht. Ich mag ihn nicht einmal besonders. Mit den meisten Aktivitäten, oder dem, was die Leute so tun, wenn es Sommer ist, kann ich nichts anfangen. Es ist einfach nur heiß. Ich habe mir vorgenommen endlich das Buch abzuholen, welches ich bei einer Verlosung gewonnen habe. Seit einer Woche schaffe ich es nicht aufzustehen. Ich habe mit schweren Schlafstörungen zu kämpfen. Womöglich würden sie sich genau heute dazu entscheiden, es erneut zu verlosen und dieses Risiko möchte ich nicht eingehen. Es wird ein langer Spaziergang bis in das nächste Viertel werden, welches sich im Westen der Stadt befindet. Viel weiter von dem Westen entfernt, in dem ich wohne. Es wird Zeit.
Rabatt
Zu meinem Bedauern ließ sich der morgendliche Ausbruch an Freude völlig rational erklären und war so schnell vorüber, dass sich eine als allgemein gut bezeichnende Stimmung gar nicht erst einstellen konnte. Ich verließ den Supermarkt also trotz anfangs übersehenem Rabatt auf Backwaren zwischen sieben und neun Uhr morgens mit einer Tüte Brötchen, genauso deprimiert, wie ich ihn betreten hatte. Die Welt war noch immer schlecht und das Leben an Absurdiät nicht zu überbieten. Zumindest hatte ich etwas Geld gespart, das ich ein paar Stunden später in eine Flasche Weißwein investieren würde. Irgendwie musste man ja das Fehlen lebenserhaltender Glückshormone adäquat ausgleichen.
Amigo
Nachdem ich mir vorgenommen hatte so viel wie möglich zu schlafen, stellte ich das Radio an und ließ mich berieseln. Sie erzählten gerade von einem Typen namens Bruno und wie er als Junge obdachlos war und mit dem Hunger kämpfte. Eines Nachts schlich er sich in eine leere Scheune, weil er fror und auf der Suche nach einem sicheren Platz zum Übernachten war. Da kam ein Streuner mit derselben Idee in die Scheune und legte sich zu ihm. Beide überlebten. Später schaffte es Bruno irgendwie auf die Uni, studierte Medizin und wurde Arzt. Und eines Tages, als Bruno gerade erschöpft im Bett lag, kratzte ein alter Hund an seine Tür, bis er sie öffnete. Der Hund lief hinein, legte sich zu seinen Füßen und starb. Er begrub ihn hinterm Haus und steckte ein kleines Kreuz in den Boden, in welches er das Wort "Amigo" geschnitzt hatte. Und als er Vater eines Sohnes wurde, schenkte er ihm einen kleinen Welpen und sagte zu ihm: "Pass gut auf ihn auf und er wird dasselbe für dich tun!". Als ich irgendwann völlig verschwitzt wieder aufwachte, dachte ich an meinen ersten Hund und wie ich mit ihm spielte und Gassi ging und wie er bei mir im Bett schlief, wenn es kalt gewesen war. Und für einen kurzen Moment war es mir so, als wäre er gerade noch dagewesen. Dann legte ich mich wieder hin und hoffte das Beste für all die Brunos y Amigos da draußen und schlief wieder ein.
Pünktlich
Pünktlich um 20:15 Uhr gab der Fernseher den Geist auf. Ein paar Tage zuvor wurde die eine Seite des Bildschirms schwarz, dann die andere. Ich lag mit Rückenschmerzen im Bett und fluchte bei jeder Bewegung. Alles ging kaputt. Kühlschränke, Fahrräder, Öfen, Wohnungsschlüssel, Computer, Spiegel, der Wasserhahn in der Küche, die Toilette und selbst die Abflüsse waren verstopft. Da lag ich also, unfähig mehr als zehn Schritte hintereinander zu gehen und dachte an nichts. Ich stellte das Radio an. Erst hatte ich es mit lesen versucht, aber ich fand keine Position, in der ich keine Schmerzen hatte. Alles was ich tun konnte war zuhören. Ich hörte so lange zu, bis ich einschlief und davon träumte, wie ich mit Krokodilen und Wölfen kämpfte und als Belohnung in ein Haus am Strand ziehen durfte. Und als ich darin wohnte, fiel plötzlich die Küche auseinander, dann das Badezimmer und schließlich das ganze verfluchte Haus, das mich unter sich begrub. Dann wachte ich auf. Ich drehte mich so gut ich konnte zur Seite, nahm einen Schluck aus der Flasche und war froh hier zu sein. Hier, genau an diesem Ort, mit den Rückenschmerzen und der Stimme der Radiomoderatorin, die mir sagte, dass es heute wieder bis zu 35 Grad wird und es vermutlich bis Ende der Woche so bleibt.
Donnerstag, 30. Juli 2020
„L&R 1955“
Mittwoch, 13. Mai 2020
En Vogue
Ich war schon immer stolz auf meine Fähigkeit zu improvisieren. Ein Problem, mit dem Minimum an Möglichkeiten zu lösen, und sei es auch nur vorübergehend, lässt mich regelmäßig über mich hinauswachsen. Eingeschnappte Türen mit einem zusammengefaltetem Stück Pappe zu öffnen, weil sich mein fünfundsechzigjähriger Nachbar nachts um halb zwei aus seiner Wohnung sperrt, ist dabei einer meiner leichtesten Übungen. Für gewöhnlich befasse ich mich mit verstopften Abflüssen, der Überbrückung elektronischer Kontakte, oder der Umfunktionierung von Möbelstücken. In diesem Fall, ging es darum, unerwünschte Tätigkeiten wie Abwaschen, unter Berücksichtigung des Geruchsproblems und zugleich wünschenswertem Wachstumsrückgang besagtem Schimmel, soweit wie möglich hinauszuzögern. Ich dachte sofort an die Erste-Hilfe-Decke, die irgendwo noch rumliegen musste und striktem Düngerverbot. Dies bedeutete, den Topf mit dem kochenden Wasser, bis ins Badezimmer zu tragen und es wahlweise in die Toilette, das Waschbecken oder die Badewanne zu gießen. Die Erste-Hilfe-Decke konnte ich nicht finden, also blieb das schwerwiegendere Problem bestehen. Das nächste an was ich dachte, war die Bibel: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Gleiches mit Gleichem vergelten. Wieso eigentlich nicht? Ich hatte schon immer darauf gehofft, dass mir meine kindliche Gottesfurcht eines Tages etwas nützen würde. Die Badarmaturen standen voll von kleinen Parfümpröbchen meiner Ex-Freundin, die sie ständig aus den Modezeitschriften herausriss, aber nie kaufte. Ich glaube, sie war mehr am Klauen interessiert, als am Kauf eines neuen Duftes. Ich öffnete eines nach dem anderen und entschied mich für das am stärksten duftende und tröpfelte es auf verschiedene Stellen über das Geschirr, das mit leisen Zischgeräuschen antwortete. Zumindest bildete ich mir das ein. Vorsichtig hielt ich meine Nase darüber, fächerte mir respektvoll etwas Luft zu und atmete in kleinen Portionen. Man kann es sich ungefähr so vorstellen, als wolle man den Gestank eines drei Tage alten Kadavers mit einem Wunderbaum neutralisieren. Ein Teil des Erbrochenen konnte ich mit meinen Händen auf dem Weg zur Toilette auffangen. Aber so schnell gab ich nicht auf. Vielleicht brauchte ich einfach einen ganzen Wald voller Wunderbäume. Ich machte mich sauber, mischte das Parfüm aller Fläschchen, die ich finden konnte in einem alten Zahnputzbecher zusammen und kippte es mit einer Handbewegung in Richtung Kadaver. Ich rannte zurück ins Schlafzimmer, um mir ein T-Shirt vors Gesicht zu binden und erinnerte mich an den alten Bettbezug aus meiner Kindheit, auf dem alle vier Turtles in wilden Kung-Fu-Posen abgebildet waren. Die Perfekte Abdeckung.
Zwei Wochen später hatte sich der Schimmel tatsächlich, bis auf wenige Stellen zurückgezogen und es gelang mir mit Hilfe geeigneter Schutzausrüstung die Gläser, Teller und Töpfe in das heiße Wasser der Badewanne zu manövrieren, ohne dem Risiko einer Kontamination ausgesetzt zu sein. Wenn ich mir also das nächste Mal eine Zeitung kaufe, werde ich mich sicherheitshalber ausreichend über die neusten Trends der Modebranche informieren. Es lohnt sich immer zu wissen, was gerade en vogue ist.
Montag, 4. Mai 2020
Allzeit bereit!
Achim
Ich wache auf.
Alles Trick und Masche, alles welkes Laub. Ich bin müde!". Ich wache auf
Versprochen!
Hör auf jetzt!
"..."
"Den ganzen Tag herumliegen...schrecklich, das könnte ich nicht. Ich werd ja jetzt schon ganz verrückt. Wie hältst du das bloß aus?"
"Ich habe hart trainiert.
"Trainie....was?"
"Jeden Tag!"
"Was hast du trainiert? Du siehst aus, als würde dir beim nächsten Atemzug ein Arm abfallen."
"Liegen, ich habe das Liegen trainiert. Täglich, zehn Stunden, schlafen zählt nicht."
"Was??"
"Ja, es ist gar nicht so einfach, wie es vielleicht für einen Laien wie dich, aussehen mag. Besonders schwierig sind die Drehmomente."
"Was redest du denn da...?"
"Sobald du merkst, dass eine Seite anfängt wehzutun, musst du dich in immer gleicher Geschwindigkeit umdrehen, da sonst die Möglichkeit einer, im Profiliegen nur allzu bekannten, Überdrehung besteht. Das passiert zum Beispiel, wenn du plötzlich und ruckartig die Seiten wechseln musst, weil du dich zu lange auf einen bestimmten Fleck an der Decke konzentriert hast und dabei vergessen hast, die vorgeschriebene Maximalliegezeit pro Seite einzuhalten. Siehst du diese Narbe in meinem Gesicht?"
"Ähh, nein."
"Das passiert, wenn du denkst, du kannst dich über die Regeln des Liegens hinwegsetzen. Wenn du denkst, du bist etwas Besonderes, nur, weil du es ein paar Mal geschafft hast zwei- drei Tage länger zu liegen, als andere.
"Du hast doch völlig den...also, du spinnst ja total."
"Du verstehst das nicht. Das ist schon lange kein Spass mehr. Sicher, die Kids von heute denken, sie können so lange liegen, wie sie wollen. Aber es hat erst kürzlich Fälle gegeben, bei denen zwei nie wieder aufgestanden sind."
"Hör auf jetzt!"
"Eine junge Frau, 24 und ein junger Mann, 26. Beide hatten sich völlig dem Liegen verschrieben, ohne auf den Drehmoment zu achten und sind qualvoll verhungert.
"Weißt du, ich wollte mich einfach nur kurz unterhalten, mich ein wenig abreagieren, aber du, du hast ja völlig einen an der Waffel, weißt du das?
"Moment!"
"WAS?"
"Ich muss mich umdrehen!"
"___"
"Hallo? Hallo, bist du noch dran? Das hättest du sehen müssen, die beste Drehung seit langem, hallo?"
This is the End, my only Friend, the End.
Sechsmal in Folge
Irren ist....
So, wie wir alle
Sie ist weg
Halt!
"Halt?"
"Ja, halt "
"Ähh, was soll das."
"Was haben Sie mit dem ganzen Klopapier vor? Andere müssen sich ihren Hintern auch abwischen, haben Sie verstanden?"
"Das geht Sie gar nichts an!"
"Ich seh doch, dass Sie Angst haben."
"Ich habe keine Angst."
"Sie haben Angst! Ihr Einkaufswagen ist voller Nudeln, Mehl und Kartoffeln. Ihnen fehlt doch nur noch das Klopapier, geb Sie es zu."
"Ich gebe hier gar nichts, aber ich nehme mir das Klopapier."
"Das werden Sie nicht!"
"Ach, ja? Und was wollen Sie dage...HILFEE...HILFEE...LASSEN SIE...HALLOOO...ICH, JETZT HÖREN SIE DOCH...BITTE,....BITTE NICHT...HALLOOO, ICH...ICH BRAUCHE HIL...BITTE NICHT INS GESICHT! "
"HATSCHIIIIIEEEE, HAAAAAATSCHIIIIIIIEEEEE."
Was für Vorräte?
"Hey, na?"
"Nene, kein Händeschütteln.
"Was?"
"CORONA!"
"Verstehe. Vielleicht hast du Recht."
"Und, wo sind deine Vorräte"
"Was für Vorräte?"
"Deine Vorräte für die Krise natürlich!"
"Ich habe Leitungswasser, drei Scheiben Vollkornbrot und eine viertel Packung Gummibärchen."
"WAS?"
"Ich habe Leitungswasser, drei Schei..."
"Ja, das hab ich schon verstanden. Bist du bescheuert?"
"Hör mal, ich habe sowieso nichts. Meine Klamotten trage ich am Körper und Essen kauf ich maximal für einen Tag. Wenn, dann bin ich sowieso einer der Ersten, die draufgehen. Was soll's."
"Du spinnst ja völlig. Also ich habe für mindestens drei Monate Essen, Hygieneartikel, Medizin, alles was man so braucht."
"Für drei Monate sagst du, mmhh, gut zu wissen."
"Wie meinst du das?"
"Ach, nichts, ich freu mich einfach für dich, dass du so gut vorbereitet bist. Da fällt mir ein, ich müsste noch in den Baumarkt."
"In den Baumarkt, wieso das denn?"
"Ich brauche noch zwei Seile, Panzer-Tape, ein paar Lappen und reißfeste Industrie-Müllsäcke."
"Wofür denn?"
"Für die Krise mein Freund, für die Krise."
"..."
Harmlos
Alleine?
Zeugs
Diese Handlung ist frei erfunden und beruht nicht auf Tatsachen. Jegliche Ähnlichkeit zu real existierenden Personen ist rein zufällig.
Ravioli Picanti
Love is all you need♡
Wenn es doch nur so einfach wäre
"Hallo."
"Ich bin ihr Nachbar von unten, wissen Sie noch?"
"Äh, nein."
"Ja, das habe ich mir gedacht. Aber das ist gar kein Problem, deswegen bin ich ja hier, wissen Sie, um ihrem Gedächtnis ein wenig...wie sagt man so schön...?"
"Was?"
"Naja, jedenfalls würde ich mich sehr gerne ein wenig mit Ihnen unterhalten. Wenn Sie vielleicht ein bis zwei Minütchen hätten, ja? Das wäre großartig. So darf ich denn eintreten in ihr bescheidenes Haus?"
"EY, SANDY...ICH HAB GESAGT DU SOLLST DIESES SCHEISS LIED NICHT MEHR SPIELEN! ICH HASSE DAS. Ja...wenns sein muss, aber schnell."
"Vielen lieben Dank!"
"SANDYYY...MACH DAS LIED AUS DU HURE!"
"Ich vermute, Sie leben hier mit ihrer Frau zusammen, das finde ich sehr schön."
"SANDY! DU KRIEGST GLEICH IN DIE FRESSE. UND WEHE DU RUFST DANN WIEDER DEINE MUTTER AN. ICH HAB DICH GEWARNT."
"Wissen Sie, ich wollte Sie nur darum bitten, vielleicht, wenigstens nachts, wenn es denn keine Umstände für Sie macht, etwas leiser zu sein. Ich bin Schriftsteller und ziemlich sensibel. Ein sensibler Künstler, verstehen Sie?
"SANDYYY...JETZT GIBT'S AUF DIE FRESSEEE."
"Ach, das muss doch jetzt wirklich nicht sein. Lassen Sie doch. Wie ich sehe haben Sie einen ziemlich großen Fernseher und eine mehr als beachtliche Stereoanlage."
"Ja, und? Was soll das jetzt hier?"
"Wie es der Zufall will, sucht ein Bekannter von mir nach genau diesem Fernseher und dieser Stereoanlage. Er ist in der Müllbranche tätig. Er beseitigt wirklich jede Art Müll, ganz still und leise. Er müsste jeden Augenblick hier sein."
"Altaa, verpiss dich jetzt mal wieder!"
"Na na, nicht so voreilig mein Freund! Es hat so eben an der Tür geschellt. Ich würde Ihnen raten sie zu öffnen."
"..."
"Ah, da ist er ja. Darf ich vorstellen, mein Bekannter. Keine Angst, er ist in Wirklichkeit noch böser als er aussieht."
"..."
"Ich dachte mir, wenn er schon hier ist, könnte er doch gleich ein bisschen Müll entsorgen, oder?"
"..."
"Genau, ich denke wir haben uns verstanden. Und denken Sie bitte an meine sensible Künstlerseele. Ich bin emotional sehr zerbrechlich. Auf Wiedersehen!"
Donnerstag, 13. Februar 2020
Ich erkenne mit Mühe ein paar Zeilen.
Wunschdialog mit der Irren aus dem Vierten:
"NA, WIE FÜHLT SICH DAS AN?"
"Nicht schön."
"WAS? ICH KANN SIE LEIDER NICHT VERSTEHEN, VERSTEHEN SIE?! DAS KLOPFEN, ES IST VIEL ZU LAUT, HÖREN SIE MAL. KOPFKLOPFKLOPFKLOPFKLOPF"
"Bitte, ich flehe Sie an..."
"WAAAAAAAS? SIE MÜSSEN LAUTER SPRECHEN! DAS KLOPFEN, SIE VERSTEHEN??"
"Bitte, hören Sie auf. Ich habe verstanden. Es tut mir sehr leid, dass ich jede Nacht gegen den Boden schlage als würde ich mit Bowlingkugeln jonglieren."
"WAAAAAAS, SIE MÜSSEN LAUUUUTEEEEERRR, DAAAHAAASS KLOHOOOPFEEEEHEEEN!"
"ES TUT MIR LEID! BITTE, BITTE HÖREN SIE AUF. HIER, HIER NEHMEN SIE DIE FLASCHE WEIN UND DEN SCHINKEN, BITTE, BITTE GEHEN SIE"
"Na gut, wenn das so ist, dann geh ich jetzt mal. Ich wünsche ihnen noch einen angenehmen Abend. Auf Wiedersehen."
BOOM...BOOM...BOOM...BOOM.
If you're alone and you need a friend
Someone to make you forget your problems
Just come along baby
Take my hand
I'll be your lover tonight
Whoa oh oh oh
This is what I wanna do
Let's have some fun
What I want is me and you
Boom boom boom boom
I want you in my room
Let's spend the night together
From now until forever
Boom boom boom boom
I wanna go boom boom
Let's spend the night together
Together in my room
Everybody get on down
The Vengaboys are back in town
This is what I wanna do
Let's have some fun
What I want is me and you
Boom boom boom boom
I want you in my room
Let's spend the night together
From now until forever
Boom boom boom boom
I wanna go boom boom
Let's spend the night together…
Niemand schläft, bis ich schlafe!
Ich nippe am Gin und inhaliere
Auf und ab, auf und ab.
Das Zeugs war nicht gut für sie
The Dark Five
Es gibt noch Hoffnung!
Es gab auch gute Zeiten.
Aber diese Zeiten sind vorbei. Jetzt kann es nur noch besser werden♡
Montag, 13. Januar 2020
Wie ich bei einem Besuch der Arbeitsagentur mit dem Leben davon kam.
Überall waren die Stellen markiert, an denen vermutlich, strategisch-optimal, Feuerlöscher zu finden waren. Als ich mir vorstellte, wie ein Feuer ausbricht und sich alle reflexartig in das wertvollste verkrallen, das sie haben und dann, mit all ihren Akten unter den Armen und auf ihren Köpfen balancierend, versuchen würden zu fliehen und oder, so schnell als möglich einen Feuerlöscher zu ergattern, spürte ich sofort wieder dieses Gefühl, etwas links, unterhalb meines Herzens, das mir sagte: "Los, spring aus dem Fenster, öffne es, spring so weit, wie du noch nie gesprungen bist, rette dich, rette dich in den Tod!" Wahrscheinlich, dienten die vielen, aber viel zu kleinen Feuerlöscher eher dazu, sich den Weg frei zu prügeln, als damit ernsthaft ein Feuer zu löschen. Der erste, der am Feuerlöscher war, würde überleben, so einfach wäre das. Schneller als in diesem Moment, würden sie nie wieder eine existenzsichernde Maßnahme ergreifen. Schließlich würde es hier um ihr eigenes Leben gehen, nicht um das vermeintlicher Kunden. Glücklicherweise, brach das Feuer nur im oberen Drittel meines Magens aus, welches sich in starkem Reflux bemerkbar machte, während ich auf die Gunst meines Sachbearbeiters wartete. Für heute, kam ich also nochmal mit dem Leben davon.
Sechs Pizzabaguettes
Du hast se ja nich alle!
"Es ist eher ein langsames Verwesen und wehleidig, verbitte ich mir! Ich befinde mich gerade in einer Zeit des kreativen Prozesses und Selbstfindungsphase, ich brauche meine Ruhe. Ruhe und jeden Tag sechs Pizzabaguettes. Sechs Pizzabaguettes sind nämlich nicht gerade viel, wenn man regelmäßig zwei davon verbrennen lässt."
"Das kann ja alles sein. Der Herr Schriftsteller macht sich lang auf Staatskosten und hält sich dann noch für was Besseres, so kommste rüber. Da helfen dir auch keine Gedichte mehr, schnorren tuste ja trotzdem bei mir, geht dir der Sprit aus, vom Rauch ganz zu schweigen."
"Also, der Einzige, der sich hier ständig beschwert, bist du. Ich schreibe dir sofort ein Gedicht, danach geht es dir gleich besser und du lädst mich auf ein schönes Glas Wein ein, oder zwei. Aufgepasst!"
Knurrt des Dichters Magen
Dann denkt er nicht ans Reim'
Doch hat er grad gefressen
Dann fällt ihm einer ein
Auch getrunken muss er haben
Natürlich nur vom guten Wein
Und ist's nur warmes Bier
Dann bleibt er gleich daheim
Drum freu dich lieber Freund
Kannst du ihm Speis und Trank verwehren?
Nennst du ein' Dichter deinen Freund
Wird man dich stets verehren
"DU HAST 'SE JA NICH ALLE! Komm jetzt, ich hab Durst!"